Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
sprach sie, trotzdem sehr geschmeichelt. »Ich bin Witwe und will keinen Mann. Ich komme besser zurecht, seitdem mein Verblichener nicht mehr ist. Die Ehe ist ein gar erbärmlich Geschäft! Nehmet nur den Navarra und die Margot. Er bekommt sie nicht als Jungfrau, denn sie liebte den Guise zu sehr. Und sie wird ihn nicht allein haben, er ist ein zu großer Schürzenjäger. Ein schlechter Handel also, diese Heirat.«
»Hoho, Gevatterin!« entgegnete ich, »Ihr habt eine gar spitze Zunge, will mir scheinen.«
Doch noch ehe sie antworten konnte, wurden wir von hinten mit lästerlichen, unflätigen Flüchen bedrängt, so daß ich an ihrem Wagen vorbeireiten mußte und die Milchfrau aus den Augen verlor, höchst erstaunt darüber, daß sie so ohne jeden Respekt über unsere Könige und Prinzen zu schwatzen wagte. Oh! dachte ich, wenn man schon zwei Meilen von der Hauptstadt entfernt so streitbar und aufmüpfig ist, wie wird es dann erst in der Stadt sein?
Die Kerle, welche uns so hart und mit so gräßlichen Flüchen gedrängt hatten (es waren ihrer fünf mit widerwärtigen Visagen), überholten uns schließlich, ihre mageren Gäule mit Gertenhieben antreibend.
»Ich verabscheue diese gottlosen, nichtsnutzigen Grobiane«, sprach Giacomi, der doch sonst so gelassen war. »Ich hätte nicht übel Lust, ihnen eins mit der flachen Klinge überzuziehen.«
Kaum hatte er gesprochen, überschütteten dieselben Halunken einen schwarzgekleideten Reisenden auf einem braunroten Gaul, der ihnen Platz machen sollte, mit einer Flut von Beleidigungen; und da er nicht schnell genug den Weg freigab, schlug ihm einer von ihnen mit seiner Gerte die Mütze vom Kopf.
»Bestia feroce!«
schrie Giacomi. »Mein Bruder, lassen wir sie unsere Klingen spüren?«
»Aber tüchtig!« antwortete ich und zog meinen Degen.
Doch als die Halunken sich umblickten und uns vier mit erhobenen Degen auf sie zustürmen sahen, gaben sie ihren Gäulen die Sporen, so daß wir ihnen kaum einige Schläge versetzen konnten, ehe sie davongaloppiert waren.
»Miroul«, sprach ich, »hebe die Mütze dieses Edelmannes vom Boden auf und gib sie ihm, nachdem du den Schmutz abgeklopft.«
»Gott danke es Euch«, sprach der Reisende, der das Aussehen einer Gerichtsperson hatte, und fragte mich nach meinem Namen, nachdem er mir den seinen genannt, welcher mir höchst poetisch erschien, denn er lautete Pierre de l’Etoile (was bedeutet: Stern), obwohl der Mann weder in seiner Kleidung noch in seiner Miene noch in seiner moralisierenden, die Sitten der Zeit beklagenden Rede etwas von einem Poeten hatte. Die heutigen Sitten, so sprach er mit Empörung, überträfen bei weitem das Schlimmste, was er in seiner Jugendzeit erlebt, denn seither sei das gemeine Volk durch das üble Beispiel der Großen, die Wirren der Bürgerkriege, den Fanatismus der Prediger und durch die eigene Torheit höchstlich verdorben worden!
»Oh!« sprach er, »dieses dünkelhafte Volk von Paris ist törichter und nichtsnutziger als jedes andere Volk auf der weiten Welt, und seine Unverschämtheit gleicht seiner Torheit:
quo quisque stultior eo magis insolescit.
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Indes er, an meiner Seite reitend, seinem Groll in gelehrten Worten Luft machte, betrachtete ich ihn, und trotz seiner langen Nase, dem bitteren Zug um die Unterlippe und seinen Gramesfalten schienen mir seine Augen, so er sich mir zuwandte, lebhaft und blitzend und auch – bei aller Galligkeit – nicht ohne Güte. Und so befand ich nach dem ersten Eindruck, daß er ein aufrechter, ehrenwerter Mann sei, worin – wie man ersehen wird – ich mich nicht täuschte. Und daß er, nach der Strenge, welche sich in seinem Aussehen und seiner Rede zeigte, Hugenott sein müsse, welchen Irrtum er mir allerdings sogleich benahm, nachdem ich ihm gesagt, daß ich der reformierten Religion anhinge.
»Oh, Monsieur!« sprach er, erschreckt um sich blickend, als fürchte er, daß uns trotz des Lärmes der Wagen und Pferde jemand hätte hören können, »schwatzet hier nicht so unbedacht und vertrauet nicht dem ersten besten. Es ist zu Paris nämlich nicht nur gefährlich zu sagen, was Ihr seid, sondern auch, was ich bin: zwar römisch-katholisch, aber doch so gemäßigt, daßmir ein hugenottischer Franzose lieber ist als ein katholischer Spanier. Ich frage mich«, so fügte er leise, aber mit grollender Stimme hinzu, »wer eigentlich zur Zeit in diesem Königreich herrscht: Katharina, die Florentinerin? Guise, der Lothringer? der Nuntius des Papstes
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