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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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hat keine Bedeutung. Ich führe hier das Wort und sonst niemand. Der geforderte Preis soll gezahlt werden. Gebt mir die Kerze, wenn ich bitten darf Hier sind zwei Sols, Meister Recroche, ich bin Euer ergebenster Diener und wünsche Euch gute Ruhe.«
    Dabei vollführte ich zum Hohn eine so tiefe Verbeugung wie er, was ihm einigermaßen die Sprache verschlug, denn er drehte sich ohne ein Wort um und ging zur Treppe, wobei ich ihm keineswegs leuchtete, sondern hinter seinem Rücken die Tür zuschlug. Potz Blitz! Diese Kerze gehörte uns! Wir hatten sie teuer genug bezahlt! Einschließlich der Flamme!
    »Samson«, sprach ich, »du wirst das Zimmer mit dem Maestro Giacomi teilen und ich mit Miroul.«
    Worüber Samson sehr betrübt war, was Giacomi (welcher die Ursache dieser Entscheidung sehr wohl verstanden hatte) veranlaßte, mit seiner italienischen
squisitezza
1 zu sagen:
    »Ich habe das Bett schon einmal mit Miroul geteilt und würde es bereitwillig wieder tun.«
    »Nein«, entgegnete ich, »es ist so entschieden, Punktum.«
    Und indem ich meinen lieben Samson herzlich umarmte und auf beide Wangen küßte, schob ich ihn zum anderen Kämmerchen.
    »Mein Herr Bruder, seid Ihr ärgerlich auf mich?« fragte er.
    »Keineswegs.«
    »Und warum nehmt Ihr mich dann nicht in Eure Kammer?«
    »Weil Miroul schlanker ist.«
    Diese Erklärung stellte ihn in seinem unbefangenen Sinnvoll zufrieden. Und als er sah, daß Giacomi uns nicht gefolgt und wir somit allein waren, sprach er leise und verschämt:
    »Habt Ihr Dame Béqueret befragt …«
    »Gewiß«, antwortete ich, höchst belustigt, und hob die Kerze, ihn besser zu sehen.
    »Und was sprach sie?«
    »Daß sie sie kennt.«
    »Oh!« brachte er nur hervor, und auf seinem schönen Gesicht erschien ein gar glückliches Lächeln, welches jedoch alsbald einer völlig zerknirschten Miene wich.
    »Oh! es ist Sünde, solche Gedanken zu haben.«
    »Dann habt sie, ohne daran zu denken«, sprach ich lachend und küßte ihn noch einmal.
    »Giacomi«, rief ich, wieder in meine Kammer tretend, »ge het , Euer Bettgenosse wartet.«
    Giacomi lächelte mir gar freundschaftlich zu, doch ohne ein Wort zu sprechen, so müde war er. Ich gab ihm die Kerze und stellte mich an das offene Fenster meines Kämmerleinchens, den Blick auf den vom Monde beschienenen Friedhof gerichtet. ›Ach‹, dachte ich, zum Hinsinken müde und sehr bekümmert ob des üblen Quartiers, auf jeden von uns wartet wohl solch ein kleines Grab am Ende unserer irdischen Reise. Meine gegenwärtige Bleibe ist also weder die engste noch die dunkelste all derer, in die mich das Schicksal noch führen wird.‹
    »Moussu«, sprach Miroul, als hätte er meine schwarzen Gedanken erraten, »grämet Euch nicht übermäßig, Ihr werdet bestimmt Madame Angelina finden, auch wenn Euch ihre Adresse nicht bekannt.«
    Wie konnte er nur wissen, noch ehe ich selbst mir darüber recht klar geworden, daß dies meine brennendste Sorge war? Ich weiß es nicht. Doch vertrieb ich diesen Gedanken sogleich wieder, und da Samson, nachdem er seine Kleider abgelegt, mir die Kerze brachte, entledigte auch ich mich der meinigen und war gerade willens, ins Bett zu steigen, als es an der Tür klopfte. Vermeinend, es sei Meister Recroche, ging ich nackt, wie mich Gott geschaffen, mit der Kerze in der Hand zur Tür, um zu öffnen.
    »Ach, schöner Herr«, sprach Alizon, keineswegs verlegen, mich im Adamskostüm zu sehen, »wenn Ihr die zweite Kerze nicht mehr benötigt, würdet Ihr sie mir zurückgeben? Wennman zu dritt mit einer einzigen arbeiten muß, macht man sich die Augen zuschanden!«
    »Was!« rief ich aus, »der Meister hat euch keine andere gegeben?«
    »Nein. Er ist sogleich schlafen gegangen.«
    »O du Ärmste!« sprach ich, »er hat mir eure Kerze nämlich verkauft!«
    »Dieser Geier!« sprach Alizon, »er würde sogar ein Ei noch scheren!«
    Worüber ich lachen mußte, denn ich hatte ähnliches in meinem Périgord nie gehört.
    »Monsieur, entschuldigt bitte«, hub Alizon wieder an, »ich wünsche Euch eine gute Nacht.«
    »Wie!« sprach ich, »willst du die Kerze nicht mehr?«
    »Sie gehört doch Euch, Herr.«
    »Alizon, sie gehört dir. Was soll sie mir, wenn ich schlafe?«
    »Monsieur, sie wird sich verbrauchen. Morgen früh wird nicht mehr viel davon übrig sein.«
    »Nun nimm schon, zier dich nicht.«
    »Oh, Herr, seid bedankt«, sprach Alizon mit einem Knicks. »Ich werde Euch für dieses freundliche Geschenk immer Dank wissen. Und wenn es

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