Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
verpestet, daß Irrlichter erscheinen.«
    »Meister Recroche«, sprach ich, »Euern Preis!«
    »Baba! Ihr habt es gewollt!« sprach Meister Recroche mit einem Lächeln und einem plötzlichen Aufblitzen in seinen kleinen blauen Augen. »Hochehrwürdiger Doktor, angesichts dessen, daß Ihr ein Freund von Monsieur de l’Etoile seid, sollt Ihr drei Dukaten für einen Monat zahlen, ganz gleich, ob Ihr ihn in Gänze hier verbringt oder nicht.«
    »Drei Dukaten für zwei Kämmerchen!« rief l’Etoile mit hoch erhobenen Armen.
    »Keineswegs! Ihr irrt!« entgegnete Recroche mit unschuldiger Miene, »ich meine drei Dukaten für ein Kämmerleinchen und einen Sol am Tag für jedes Pferd, wobei das Heu zu Euern Lasten geht.«
    »Sechs Dukaten!« rief l’Etoile. »Um Himmels willen, laßt nach in Euerm Preis, Recroche, das ist zuviel!«
    »Baba!« entgegnete Recroche, »was zuviel ist, Herr Audienzrat, das sind die Menschen, die gegenwärtig nach Paris strömen. Ist das meine Schuld? Man muß sehen, wo man bleibt. Meine Kämmerwinzchen sind mehr gefragt als ein Palast im Polenland, und ich gebe sie diesem edelen Herrn nur aus Liebe zu Euch.«
    »Gott danke Euch für diese hohe Meinung«, sprach l’Etoile mit verkniffenen Lippen,
    »Zu zahlen in barer klingender Münze, auf der Stelle, die volle Summe im voraus«, sprach Meister Recroche mit bescheiden gesenkten Augen, doch sehr bestimmten Tones.
    Nun mußte erst Samson, welcher den Hauptteil des Geldes bei sich trug, herbeigeholt und über alle Maßen gedrängt werden, ehe er sich herbeiließ, die sechs Dukaten für das Quartier und die Pferde herauszurücken. Nachdem dies erledigt, saß der Geselle Baragran mit einer brennenden Laterne hinter Miroul auf, uns zu leuchten, indes wir mit blankgezogenen Degen Pierre de l’Etoile zu seiner Behausung geleiteten und ungesäumt zurückkehrten, zum Umfallen müde, die Schenkel schmerzend von langem Ritt und das Herz voller Betrübnis ob des schlechten Quartiers.
    »Meister Recroche«, sprach ich, nachdem die Pferde abgesattelt und in den Stall gebracht waren, »habt Ihr einen Schluck Wein für uns vor dem Schlafengehen?«
    »Baba! Wein«, entgegnete Recroche, die langen Arme zum Himmel erhoben. »In diesem Hause werdet Ihr nicht das kleinste Fläschlein, Krügelchen noch Tröpfchen Wein finden, Gott sei es gedankt, hier pichelt niemand! Das wäre ein gar kostspieliges Vergnügen.«
    »Dann also Wasser!«
    »Baba! Wasser! Ist mein Wasser etwa Luft? Welchselbiges obendrein kein schlechtes Seine-Wasser ist, welches Ihr in den Schenken und Suppenküchen zu Paris aufgetischt bekommt, wiewohl es mit Kot, Pisse und Unrat verunreinigt ist, daß einer gleich am Bauchfluß zugrunde gehen könnt. Mein Wasser ist Brunnenwasser, frei von Schmutz und Sand, Meersalz als auch Schwefel.«
    »Kurz gesagt, Wasser. Muß das auch bezahlt werden, Meister Recroche?«
    »Aber gewiß!« antwortete er, sich die Nase reibend. »Es kostet Euch einen Sol am Tag für Euern Bedarf und zwei Sols für Eure Pferde.«
    »Bei diesem Preis wird es wohl zum Bade reichen, wie ich hoffe!«
    »Keineswegs«, entgegnete Meister Recroche entrüstet, »bin ich etwa der Herzog von Anjou? Es gibt keinen Badezuber in diesem Hause und schon gar kein Holz, das Wasser zu erhitzen. Da müßt Ihr schon wie ein jeder zu Paris in die öffentliche Badestube gehen!«
    Unter diesen Worten führte er uns in einen ziemlich großen Raum, den er als seine Werkstatt bezeichnete und worinnen drei Gestalten beim Lichte zweier Kerzen die Nadel schwangen: der Geselle, welcher Baragran geheißen, eine Jungfer meines Alters und ein Bursche von etwa fünfzehn Jahren, welchselbigem vor lauter Gähnen die Arbeit nur langsam von der Hand ging, so müde war er.
    »Wartet hier auf mich«, sprach Recroche, »ich werde Euer Wasser holen.«
    »Ei was, Geselle!« sprach ich zu Baragran, sobald der Meister das Zimmer verlassen, »Ihr werket bei Kerzenlicht?«
    Der Geselle, welcher ein kantiges Gesicht und stämmigeSchultern hatte und Hände, mit denen er wohl einen Ochsen hätte erwürgen können, antwortete zunächst nichts, denn er war eifrigst beschäftigt, mit seinen groben Fingern eine Nadel einzufädeln, was ihm zu meiner Überraschung auch ohne große Beschwerlichkeit gelang. »Man muß sehen, wo man bleibt!« gab er schließlich zur Antwort.
    »Nun hört Euch diesen Papagei an«, sprach die Jungfer, von ihrer Arbeit aufsehend, »der wie ein einfältiger Tor alles nachplappert, was der Meister

Weitere Kostenlose Bücher