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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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sagt!«
    »Schweig still, Alizon!« entgegnete Baragran.
    Selbige Alizon, die seit unserem Eintritt mit einem Auge auf ihre Näharbeit (welche ein Häubchen für eine feine Dame war) und mit dem anderen auf uns blickte, war keck und anmutig, schwarzbraun wie eine Teufelswespe, und ihre lebhafte Rede schien mir schärfer und treffender, als was ich bis dato von Weiberlippen gehört hatte.
    »Bin ich ein Fisch, daß ich schweigen soll?« fuhr sie fort. »Ich habe nur meinen Schnabel, mich über mein Leid hinwegzutrösten!«
    »Schweig! Schweig! Törichte Schwätzerin!« sprach Baragran. »Wer anders als der Meister sorgt für dein Auskommen?«
    »Mumpitz!« entgegnete Alizon. »Wer anders als wir sorgt für sein Auskommen? Und ich weiß kaum noch, ob ich lebe oder schon zuschanden bin, soviel müssen wir uns für ihn schinden! Es mag noch angehen, die Nadel von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu schwingen. Aber auch noch nachts! Wann soll ich nur schlafen? Selbst sein Maultier schläft im Stalle! Bin ich etwa geringer als ein Maultier?«
    Sie sprach dies alles in einem Zuge, so wie ihr der Schnabel gewachsen war, fast wie im Zorn, doch ohne dabei in ihrer Arbeit auch nur für einen Augenblick innezuhalten und ihre Finger ruhen zu lassen, die mit bewundernswerter Flinkheit einen Stich um den anderen setzten, wobei sie bei all dem noch Zeit fand, uns Blicke zuzuwerfen, welche einen Toten hätten aufwecken können.
    »Närrin du!« schrie Baragran. »Wenn die Baronin von Tourelles darauf besteht, daß ihre Hauben alle bis zum Morgengrauen fertig sein sollen, weil sie sich auf ihren Landsitz begibt, muß man sie doch zufriedenstellen?«
    »Nein, nein und nochmals nein!« schrie Alizon, dabei wütendihre schwarzen Locken schüttelnd. »Wir hätten es dem Meister abschlagen sollen, des Nachts zu arbeiten! Ich habe es dir gesagt! Aber du hast nicht auf mich hören wollen, du einfältiger Tor!«
    »Erznärrin du!« entgegnete Baragran, »bin ich etwa einer von jenen aufmüpfigen Handwerksburschen, welche sich verschwören, die Arbeit verweigern und also dem Meister die Kundschaft vertreiben, daß er zugrunde gerichtet wird? Und stünde ich nicht wieder da wie ein armer Tropf, ohne Lohn und Brot, wenn der Meister ruiniert wäre?«
    »Armer Hirnschelliger!« sprach Alizon, indem sie sich auf ihrem Hocker aufrichtete und die Schultern zurückzog, so daß ihre Brüste hervortraten, welche zwar klein, aber höchst anmutig in ihren Bewegungen waren, »so schnell geht der Meister nicht zugrunde! Eher hast du dich zu Tode geschuftet!«
    »Ich fürchte die Arbeit nicht!« entgegnete stolz Baragran trotz seiner roten Augen und eingefallenen Wangen.
    »Wie töricht du bist, hast nur Kalbsbries im Schädel!« erwiderte Alizon. »Wozu ist das Leben nütze, wenn es nur dazu dient, den Meister dick und fett zu machen?«
    Unter diesen Worten trat der Meister mit zwei Wasserkrügen ein, welche so klein waren, daß ich sie – so ich auf seine Weise sprechen wollte – kleinwinzige Krügelchen hätte nennen sollen. Heiliger Himmel! Wie sparsam war man in diesem Hause mit Wasser, und wie verschwenderisch ging man mit Schweiß der anderen um!
    »Der Meister ist so fett nicht, Schwätzerin!« sprach Recroche mit einer Miene, aus welcher ich mutmaßte, daß er hinter der Tür alles mit angehört hatte, obgleich sein Ton mehr spöttisch als grimmig war.
    »Aber sein Säckel ist fett«, antwortete Alizon, nicht im geringsten eingeschüchtert, »und wenig zahlt er denen, die in seinem Dienst stehen!«
    »Was!« schrie Recroche und tat beleidigt, »Baragran, zahle ich dir nicht sechs Sols und zehn Heller am Tag? Ist das etwa nicht der übliche Lohn hier in Paris?«
    »Doch, Meister«, antwortete Baragran.
    »Bist du etwa nicht zufrieden damit?«
    »Doch, Meister«, antwortete Baragran.
    »Doch, Meister! Doch, Meister!« äffte ihn Alizon nach, wobeiihre dunklen Augen Funken zu sprühen schienen. »Hat man je einen armseligeren Tropf und größeren Speichellecker gesehen? Und ich, Meister Recroche, die ich genausoviel arbeite wie dieser Bärenhäuter und dazu noch Mützenmacherin und Stickerin bin, während er nur Mützenmacher ist, bin ich zufrieden mit meinen drei Sols und fünf Hellern? Warum fragt Ihr mich nicht?«
    »Was kann ich dafür?« gab Meister Recroche zur Antwort, sich die Nase kratzend. »Es ist nun einmal Brauch, Frauenzimmern die Hälfte weniger als dem Manne zu zahlen.«
    »Und das kommt Euch trefflich zustatten!« schrie

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