Die guten Schwestern
rückerstatten. Das ist alles im voraus bezahlt«, sagte Klaus Brandt verärgert.
»Darum habe ich dich auch nicht gebeten, Brandt«, sagte ich.
»Es gibt wirklich keinen Grund, empfindlich zu sein«, sagte der Dummkopf, was mich veranlaßte, wortlos zu Lasse zu gehen und ihm zum Abschied demonstrativ die Hand zu geben.
»Paß auf dich auf.«
»Gleichfalls«, sagte er. »Wir sehen uns in ein paar Tagen zu Hause. Grüß Janne von mir.«
Brandt glotzte bösartig hinter mir her. Ich hatte seinen Plan zunichte gemacht. Nun mußte er die ganze Zeit daran denken, daß einer fehlte, wenn er wie ein dummer Schullehrer nach einer Rauch- oder Pinkelpause auf den endlosen mitteleuropäischen Landstraßen seine Schäfchen zählte. Wie eine Glucke setzte er seine Schar mit Gesten und Gegacker in Bewegung. Die nahm die Koffer auf und trottete auf den wartenden Bus zu. Ein junges Mädchen kam auf mich zu. Sie hieß Charlotte, glaube ich. Sie begleitete ihren Vater, Niels Lassen, den ich ganz gut kannte. Er war etwa fünf Jahre älter als ich und hatte sich nach langjähriger Arbeit in internationalen Organisationen verhältnismäßig früh zurückgezogen. Auf die Weise war er der Ausplünderung durch den gierigen dänischen Fiskus entgangen, und er hatte genug beiseite gelegt, um früh in Rente zu gehen. Trotzdem hatte er seiner Tochter kein eigenes Zimmer gegönnt. Sie teilten sich ein Doppelzimmer, um zu sparen.
»Tut mir leid«, sagte Charlotte, »daß du nicht mit nach Budapest kommen kannst, Teddy. Ich hab gehört, was Klaus gesagt hat. Daß das Zimmer im voraus bezahlt ist, da hab ich mir gedacht…«
»Ich wünsche dir eine angenehme Nacht in meinem Zimmer in Budapest«, sagte ich.
»Vielen Dank«, sagte sie. »Ich hab so die Nase voll, wegen meines Vaters nicht im Zimmer rauchen zu dürfen.«
»In meinem kannst du soviel rauchen, wie du willst«, sagte ich.
Sie bedankte sich noch einmal und schwänzelte davon. Manche Menschen haben die Fähigkeit, sich über Kleinigkeiten zu freuen. Das ist beneidenswert, wenn es nicht ein Zeichen mangelnder Intelligenz und Phantasie ist. Nett, wie ich nun mal bin, winkte ich dem Bus zu, der sich durch die Horden von Schwarzmarkthaien, Frühstückshuren, gewöhnlichen Neugierigen und chaotisch geparkten Leihwagen schlängelte, die in diesem Teil der lieben postkommunistischen Welt vor einem internationalen Hotel nun einmal zum Straßenbild gehören. Er fuhr in einem Bogen am Präsidentenpalast vorbei, der leer stand, weil die Slowaken wie viele andere auch sich über vieles nicht einigen konnten, und dann verschwanden meine Kollegen und die Kurgäste zu meiner großen Erleichterung hinter den Häusern, um den Weg nach Budapest zu finden, während ich nach Hause finden wollte.
Es gab ein Reisebüro im Hotel. Ich reichte ihnen meine Mastercard und äußerte meine Wünsche. Wundersamerweise gab es absolut keine Probleme. Es ging ein früher Nachmittagsflieger nach Wien, und von dort gab es eine Verbindung nach Kopenhagen. In beiden Flugzeugen gab es genügend Plätze. Ich konnte gegen Abend zu Hause sein. Gottlob gab es die Beschwerlichkeiten nicht mehr, die früher auf einen zukamen, wenn man sich ohne wochenlange Vorbestellungen überhaupt bewegen wollte. In den alten sozialistischen Systemen war das ja eine Art Naturgesetz gewesen. Jetzt kam es nur noch darauf an, sich gerade zu halten, noch einmal zu versuchen, Janne zu erreichen, Essen, Trinken und Telefon im Hotel zu bezahlen und dann in sein eigenes Bett zu kommen und morgen womöglich einen Termin bei einem flotten kleinen Chiropraktiker zu bekommen.
Ich konnte nicht still sitzen. Es war tatsächlich eine Erleichterung, sich ein wenig zu bewegen, also ging ich durch ein kleines Stadttor in die Altstadt hinunter. Es war ein kühler, aber schöner Frühlingsmorgen. Die Häuser wirkten gut erhalten, aber ich mußte drohend meine Hand erheben, als eine Horde zerlumpter Zigeunerkinder näher kam und ihre schmutzigen Hände ausstreckte. Ein Beamter bemerkte die Gruppe, und das reichte, um seinen fetten Körper in Bewegung zu setzen, da verschwanden sie in einer Nebenstraße und waren weg, als hätten sie nie existiert. Zum Dank hob ich den Finger an meinen imaginären Hut, aber der Beamte schaute nur gleichgültig in die andere Richtung. Ein Bettler saß in ein Buch vertieft in einem Rollstuhl, ohne darauf zu achten, ob die Passanten etwas in seinen kleinen Hut warfen, der vor dem Rollstuhl stand. Ein anderer spielte Harmonika,
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