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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Sie starrte mich an, die Augen voll des schlechten Gewissens. Das hatte sie nun davon.
    Sie sah toll aus, meine Janne. Sie war groß und schlank und hatte halblanges Haar, das ihr gut stand. Sie hatte kleine blaue Augen, die zu ihrem etwas schmalen Gesicht mit der reinen Stirn paßten. Ihre kleinen Ohren habe ich immer gemocht. Die bloße Stelle zwischen Ohr und Hals war das erste, was ich bei ihr geküßt habe. Für das ausgelassene Treiben auf der Weihnachtsfeier des Instituts hatte sie ihre Haare hochgesteckt, so daß es ganz natürlich war, sie beim Tanz herumzudrehen und mit den Lippen flüchtig ihren feinen, zarten Hals zu berühren. Es war ein glücklicher Einfall. Ich hatte eine ihrer unbekannteren erogenen Zonen aufgespürt. Oder sie hatte mich aufgespürt. Das kleine Stück Haut lud zum Kuß ein. Jetzt stand sie da mit dem Schlüsselbund in der Hand und guckte mich an.
    »Wieso bist du schon zu Hause? Und was machst du im Bett?« fragte sie.
    »Tag, Janne. Ich freu’ mich so, dich zu sehen.«
    »Wieso bist du schon da? Steh doch mal auf, Mann!«
    Es war furchtbar, dazuliegen und zu ihr aufzublicken. Sie sah auf einmal so groß und dominant aus. Es war ein sonderbarer Winkel, aus dem ich meine Frau da betrachtete.
    »Ich kann nicht aufstehen«, sagte ich.
    »Hör auf mit dem Unsinn!«
    »Ich habe einen Hexenschuß. Ich kann mich nicht aufrichten. Kannst du mir nicht helfen?«
    Wahrscheinlich sah sie meiner Miene an, daß ich mir keinen Scherz erlaubte. Ich versuchte, mich aufzurichten, aber die Schmerzen im Kreuz schickten eine Warnung aus, daß es richtig weh tun würde, wenn ich die Operation fortführte. Sie stopfte die Schlüssel in die Tasche ihrer schicken Jeans, beugte sich über mich und packte mich an den Schultern, so daß ich schrie wie eines der angestochenen Schweine, die auf dem Hof meines Onkels geschlachtet wurden, als ich dort in meiner frühen Kindheit die Ferien verbrachte.
    »Was hast du denn, Teddy«, sagte sie ehrlich besorgt.
    »Mein beschissener Rücken tut mir weh, hab ich doch schon gesagt. Nimm meine Hand!«
    Ich reichte ihr die Hand. Sie hatte schlanke, starke Hände, und ich sah, daß sie noch den Ehering trug. Ich bat sie zu ziehen. Offensichtlich hatte sie einen Schrecken bekommen und wußte nicht recht, ob sie all ihre Kräfte einsetzen sollte. Aber gemeinsam ging es. Sie brachte mich in zwei Etappen auf die Beine. Erst in die sitzende Position. Die vier Folterknechte aus Preßburg waren offenbar nach Dänemark mitgereist. Sie verrichteten ihr Handwerk mit Bravour. Als ich auf der Bettkante zu sitzen kam und mich später, beim zweiten Versuch, sogar hinstellen konnte, bohrten sie ihre Pfrieme und Eisen und eine Reihe anderer mittelalterlicher Instrumente in meinen Rücken. Aber als ich erst einmal stand, ließen die Schmerzen ein wenig nach. Janne hielt meine Hand und blickte mich echt besorgt und mitleidig an. Sie sah mir an, daß der alte Hypochonder-Teddy diesmal nicht simulierte.
    »Geht’s besser?« sagte sie.
    »Ja, danke. Das Stehen hilft.«
    »Was hast du gemacht? Was ist passiert? Hast du dich überhoben?«
    »Nee. Ich mußte nur aufs Klo. Es ist alles total lächerlich«, sagte ich.
    Hand in Hand standen wir ein Weilchen da und schwiegen. Es war bestimmt ein reizender Anblick. Meine schöne Frau in ihren eleganten Sachen, mit der reinen Haut und der perfekten Frisur und der alte Teddy mit zerknitterten Boxershorts und Strubbelhaar.
    »Entschuldige«, sagte sie dann. »Das hast du trotz allem nicht verdient.«
    Erst dachte ich, sie meinte meinen Rücken, aber dann ging mir ziemlich schnell auf, daß sie sich für die Pflanzen in der Spüle, die Zeitungen und die Post auf dem Boden und all die andern Dinge entschuldigte, die darauf hindeuteten, daß Teddy Hörner aufgesetzt worden waren. Ich ließ ihre Hand los.
    »Ich muß ins Bad«, sagte ich, um das Schweigen zu brechen. Plötzlich waren wir wie Fremde, und man hat ja keine Lust, sich Fremden gegenüber so zu zeigen, wie ich im Augenblick aussah.
    »Ich mache Frühstück«, sagte sie.
    »Ein bißchen Kaffee wär toll«, sagte ich und fuhr fort, als wäre alles beim alten:
    »Mußt du ins Institut? Oder bist du immer noch krank gemeldet?«
    »Teddy. Ich habe mich entschuldigt. Es so zu erfahren hast du nicht verdient.«
    »Wer ist es?«
    »Geh ins Bad. Schaffst du es allein? Geh erst mal ins Bad, dann reden wir.«
    So sollte es sein. Die Dusche half auch diesmal, und der Kaffee tat gut, aber was sie zu erzählen

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