Die guten Schwestern
hatte, war in all seiner Banalität ganz und gar nicht gut. Es gab einen andern, wie man so sagt. Es lief bereits seit geraumer Zeit. Eigentlich war sie schon zu ihm gezogen. Sie hatte vorgehabt, es mir in aller Ruhe bei einem Glas Rotwein zu verklickern, nachdem ich nach Hause gekommen wäre. Es war nicht beabsichtigt, daß ich es auf diese Art und Weise erfahren sollte. Ich antwortete nicht, ich saß zwar beinahe wie versteinert da, aber meine Gefühle waren eher zwiespältig. Ich war wütend und traurig, aber auch seltsam abwesend. Als wollte es gar nicht zu mir vordringen. Als hätte ich eigentlich längst gewußt, daß sich so etwas anbahnte. Die Frage war nur wann. Ich saß kerzengerade auf dem Küchenstuhl und versuchte, meinen Rücken nicht zu bewegen. Mein Zahn hatte sich wieder gemeldet, und ich bedauerte mich selber, so richtig Teddy-mäßig.
»Wer ist es?« fragte ich dann.
»Peter«, sagte sie.
»Peter! Der ist doch bloß ein bescheuerter Wissenschaftlicher Mitarbeiter! So was nennt man eine Regression, Janne. Hättest du in den Dienstgraden nicht ein bißchen klettern und dir einen Prof an Land ziehen können! Immerhin hattest du dir doch schon einen Akademischen Rat geangelt!«
»O Mann, du bist so bescheuert!« sagte sie.
»Peter!« sagte ich nur. Er war Mitte Dreißig, mit frühem Haarausfall, aber das war leider kein Manko. Die Mode stand auf seiner Seite. Sein Haar war superkurz geschnitten, was zu dem dichten Vollbart paßte. Durchtrainierter Körper. Liebte Wanderungen im norwegischen Gebirge. Teilnehmer am Berliner Marathon. Er war ehrgeizig und leider auch tüchtig. Wie Lena erforschte er die Übergangsphänomene in postkommunistischen Ländern mit besonderem Akzent auf den Problemen der neuen Antragsländer auf ihrem Weg in die Mitgliedschaft im Klub der Reichen, in der EU. Er sackte ständig neue Drittmittel ein und sollte bei einem neuen Projekt des Außenpolitischen Instituts mitmachen. In diesen Vorhaben steckten Stellen und Gelder, während wir anderen ausgehungert wurden. Es machte einen fuchsteufelswild, außerdem war es beleidigend. Ich stellte mir die beiden im Bett vor. Einen Augenblick lang wurde ich so eifersüchtig, daß ich meinen Rücken und meinen Zahn vergaß. Was bildeten die sich eigentlich ein, verflucht noch mal? Wenn hier jemand untreu sein darf, dann bin ich das! Und wenn hier einer einen verläßt, dann bin ich das auch! Aber wir saßen da in der Küche rum und waren genauso sprachlos wie zwei Vierzehnjährige.
»Er liebt die Kinder«, sagte sie dann etwas unmotiviert.
»Ist das wichtiger, als daß er dich liebt?« sagte ich sauer.
»Mich liebt er auch.«
»Das ist so was von banal«, sagte ich.
»Was haben wir denn noch gemeinsam«, sagte sie. »Entweder bist du schlechter Laune, oder du bist mit den Gedanken woanders. Oder beides zusammen.«
»Und das ist Peter nicht?«
»Peter ist immer da, wenn ich ihn brauche.«
»Und ich nicht.«
Sie legte ihre Hand auf meine und sah mir in die Augen. Sie waren ein wenig feucht.
»Teddy, du bist immer noch charmant, du bist immer noch ein netter Typ, aber du bist auf dem besten Weg, ein mißgelaunter, alter Kerl zu werden. Hör auf damit. Du hast viele gute Seiten. Ich kann sie nur nicht mehr hervorlocken. Wenn ich es je gekonnt habe. Mit Peter fühle ich, daß ich lebe. Auch die Kinder sind so froh, wenn wir zusammen sind. Sie sagen, wir sind wie eine Familie. Warum ist Teddy immer so schlechter Laune? Das haben sie in den letzten Jahren oft gefragt. Teddy! Hör mir zu. Es ist das beste. Für uns alle. Du wirst es einsehen, wenn ein bißchen Zeit vergangen ist.«
Ich hatte Schmerzen im Rücken und im Backenzahn, aber auch im Zwerchfell. Der Kaffee im Magen wurde sauer, und eine furchtbare Übelkeit stieg in mir hoch. Sich zu übergeben war eine Erleichterung, aber dabei mußte ich mich über die Toilette beugen, was die Folterknechte mit ihrer ganzen Batterie von Instrumenten aktivieren würde. Daß sie mich verließ, war schlimm genug. Aber fast noch schlimmer war, daß sie mich mit mitleidsvollen Augen anschaute. Sie betrachtete mich wie ein armes Schwein, und wahrscheinlich hatte sie recht damit.
Ich schleppte mich in die Küche zurück. Glücklicherweise sagte sie nichts. Ich goß mir ein Glas Milch ein und hielt es in der Hand. Warum ist man eigentlich so schrecklich zivilisiert? Warum schmeißt man nicht mit Porzellan? Vielleicht war es das, was sie in Wirklichkeit meinte. Daß meine Gefühle immer eine
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