Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
sagte ich mit einer Stimme, die erschreckter klang als beabsichtigt, aber ich konnte mir gut vorstellen, was diese Riesenhände und muskulösen Oberarme mit meinem Rücken anstellen konnten. Die Folterknechte aus Preßburg wären dagegen bestimmt die reinsten Waisenknaben.
    »Normalerweise hilft das aber«, sagte er.
    »Wollen wir nicht lieber zur Sache kommen«, sagte ich. »Was ist mit Niels passiert?«
    »War er ein guter Freund?« fragte Toftlund.
    »Nicht so richtig. Eher ein guter Bekannter. Das akademische Milieu in diesem Zwergenland ist ja nicht sehr groß. Wir kennen uns alle irgendwie. Aber was ist mit seiner Tochter, Charlotte?«
    »Was meinst du?«
    »Sie sind doch zusammen gereist«, sagte ich laut. Die Situation machte mich ungeduldig.
    Toftlund stellte vorsichtig seine Tasse hin. Trotz seiner Pranken hatte er ruhige, fast elegante Bewegungen.
    »Leider wissen wir nicht sehr viel. Wir haben nur ein paar Faxe aus Budapest. Und weil dein Name darin genannt wurde, sind wir jetzt hier. Vielleicht kannst du uns helfen. Warum bist du nach Hause gefahren?«
    »Nein, verdammt noch mal, nein! Ich will wissen, was passiert ist!«
    »Im Laufe der Nacht sind einer oder mehrere Täter in Niels Lassens Hotelzimmer in Budapest eingedrungen. Das Zimmer war auf deinen Namen gebucht. Sie haben ihn entweder durch Strangulieren getötet oder indem sie ihm den Hinterkopf zerschmettert haben. Das kann man aus den Faxen nicht ganz ersehen, aber die Tat ist sehr professionell ausgeführt, schreiben die Kollegen. Danach haben sie das Zimmer durchsucht und sind verschwunden. Keiner hat sie kommen oder gehen sehen. Soweit wir wissen.«
    »Teufel noch mal«, sagte ich tumb. »Arme Charlotte.«
    »Ja, arme Charlotte«, sagte Toftlund. Es klang wie eine Anzüglichkeit. Ich mochte seine Arroganz und seine Kälte nicht, aber ich erzählte die Geschichte trotzdem. Ich erzählte von meinem Rücken und daß ich nach Hause wollte, daß die Zimmer schon bezahlt waren und Charlotte mich gefragt hatte, ob sie meins haben könne, das ja nun übrig war. Anscheinend hätten sie es umgekehrt gemacht, oder Brandt hatte alles durcheinandergebracht und ihnen den falschen Schlüssel gegeben. Er hat die Leute ja immer eingecheckt. Von der Frau in meinem Zimmer in Preßburg erzählte ich ihnen nichts. Das ging die Bullen ja nichts an. Als ich mit meiner Geschichte geendet hatte, wurde mir bewußt, wieviel Massel ich gehabt hatte. Es war ein unglaubliches Glück, daß ich den Hexenschuß bekam und nach Haus gefahren bin. Toftlund konnte anscheinend Gedanken lesen.
    »Ja, Teddy Pedersen. Das Schicksal hat es sehr gut mit dir gemeint.«
    »Das macht die Sache ja nicht besser. Bei dir hört es sich so an, als wär es meine Schuld.«
    »Überhaupt nicht, aber ich frage mich, ob sich die Täter nur zufällig dieses Zimmer ausgesucht haben oder ob etwas anderes dahintersteckt…«
    Er ließ den Satz in der Luft hängen. Bjerregaard hing reglos über dem Tisch und umklammerte die Kaffeetasse, fast wie ein kleines Gemälde. Standbild eines Zivilen mit Kaffeetasse auf Teddys Sofa, hätte der Titel lauten können.
    Ich faßte mich ans Kreuz, das fröhlich vor sich hin pochte, und sagte:
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Natürlich weißt du das«, sagte Toftlund. »Was können sie gesucht haben?«
    »Ich habe keinen blassen Schimmer. Ich schmuggle weder Alkohol noch Drogen. Wenn ich nur vier Kippen zuviel dabei habe, stinke ich nach schlechtem Gewissen. Hundertprozentig.«
    »Also alles nur Zufall. Merkwürdiger Zufall«, sagte Toftlund.
    »Genau. Ein Zufall. Weißt du, wie sehr die Kriminalität seit dem Ende des Kommunismus in jenem Teil der Erde zugenommen hat? Die gehört mittlerweile zum Lifestyle hinter dem alten Eisernen Vorhang. Der Kapitalismus hat ihnen die Freiheit, die Armut und die Mafia gebracht.«
    »Trotzdem«, beharrte Toftlund. »Vielleicht hast du Feinde da unten. Du hast doch viele Reisen dahin gemacht.«
    Woher wußte er das denn? Wahrscheinlich haben sie vor ihrem unangemeldeten Besuch die Archive befragt. Sicher stand ich in diversen PND-Akten, wenn man an meine zahlreichen Reisen in die sozialistischen Länder denkt. Ich hatte nicht das Gefühl, etwas verbergen zu müssen, aber ich las ja Zeitung. Es war eine Art Hexenjagd auf alte Stasi-Spione im Gange, nachdem die Amerikaner die Magnetbänder ausgehändigt hatten, die die Decknamen Tausender von Stasi-Agenten und Informellen Mitarbeitern enthüllten. Die Sache hatte etwas

Weitere Kostenlose Bücher