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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Lakaien entlarvte. Sie hatten ja selber einmal sämtliche Nuancen ignoriert, als es sich nämlich um die verfaulte kapitalistische Gesellschaft handelte. Nun zahlten die Sieger von rechts es ihnen mit gleicher undifferenzierter Münze heim. Eigentlich taten sie mir gar nicht leid, andererseits fiel es mir schwer, mich mit dem großkotzigen, selbstgerechten Ton abzufinden, der den Angreifern zu eigen war. Aber sie hätten es sich ja auch verkneifen können, mit Pol Pot zu speisen und Artikel zu verfassen, die der Kulturrevolution huldigten. Die Vergangenheit holte noch die meisten ein.
    Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf, dazwischen versuchte ich herauszufinden, was ich für meine Schwester tun konnte und warum man sie eingebuchtet hatte.
    Sie hatte einen Pflichtverteidiger bekommen, der routinemäßig, aber ohne Erfolg beim Landgericht Beschwerde gegen die vierwöchige Einzelhaft eingelegt hatte. Ich konnte ihr einen anderen besorgen, Kenneth Graversen. Er war einer dieser publicityliebenden Anwälte, die sowohl vor Gericht als auch in dem andern großen Gerichtssaal unserer Zeit ihren Mann standen: in den Medien. Er hatte ziemlich viel um die Ohren, sagte aber zu. Er wolle sich die Sache anschauen. Natürlich kannte er sie schon aus der Presse und dem Fernsehen. Ich brauchte ihn eigentlich nicht zu überreden. Ich hatte den Eindruck, daß er das Blitzlicht schon riechen und die verführerischen Fernsehkameras schon vor sich sehen konnte. Die Geschichte konnte sich zu einer bedeutenden Angelegenheit entwickeln, wenn Irmas Identität erst einmal enthüllt werden durfte. Graversen hatte eine angenehme, tiefe und kultivierte Stimme. Er wolle anrufen, sobald er mit seiner neuen Klientin gesprochen habe, wolle mich aber auch gern darauf aufmerksam machen, daß er mir nichts Substantielles erzählen dürfe, wenn das Landgericht die verschärfte Einzelhaft bestätige. Es wäre eine Gesetzesübertretung, wenn er dem alten Teddy sozusagen etwas ausplaudern würde.
    Endlich erreichte ich den Kriminalinspektor, der sich in den Medien über die Sache ausließ, und zwar ziemlich vollmundig, als wäre meine liebe Schwester schon verurteilt. Er war ein gepflegter Herr mittleren Alters, den ich schon oft im Fernsehen gesehen hatte. Er sah aus wie die Vertrauenswürdigkeit selbst und war keiner dieser heruntergekommenen, alkoholisierten Männer, die für gewöhnlich die Krimis bevölkern, die zu lesen ich ab und zu das Vergnügen hatte. Ich erkannte seine Stimme am Telefon, als er endlich zurückrief, nachdem ich ihm wer weiß wie viele Nachrichten hinterlassen hatte. Vielleicht war ich ungerecht. Denn bis zu mir durchzukommen konnte manchmal auch ziemlich anstrengend sein. Hin und wieder mußte ich nämlich Fritz beruhigen, mit Janne streiten, weil ich nicht auf die Gören aufpassen konnte, meine neugierigen Kollegen abwimmeln, mich von Lasse trösten lassen und zum x-ten Mal unserer Mutter verständlich machen, daß ihre Tochter im Gefängnis saß, aber ich glaube nicht, daß ich den senilen Nebel durchdringen konnte, der sie in ihrem Pflegeheim auf Fünen umgab. Über der kafkaesken Situation, die plötzlich um mich herum entstanden war, vergaß ich beinahe meinen Rücken. Dafür fing mein Zahn oder Zahnfleisch wieder an, sich bemerkbar zu machen. Man brauchte kein Arzt zu sein, um zu begreifen, daß die Schmerzen dort in Wirklichkeit psychosomatischer Natur und ein Symptom für Streß waren.
    Der Inspektor mit dem dänischsten aller dänischen Namen, Per Jensen, war die Freundlichkeit in Person. Er wollte über die Sache nichts sagen und erklärte mir wie einem unbegabten Journalisten, was es heiße, eine Untersuchung unter absoluter Nachrichtensperre zu führen, und was Einzelhaft bedeute. Das sei eine furchteinflößende Waffe, die dem kleinen demokratischen Staat Dänemark zur Verfügung stehe. Dabei werde ein Mensch total von den anderen Menschen abgeschnitten, und es dürfe praktisch nur der Verteidiger mit dem Betreffenden kommunizieren. Ich versuchte, ihn davon zu überzeugen, daß ich als ihr Bruder ein gewisses Recht hätte, aber bei ihm war einfach nichts zu machen. Das sei im Augenblick nicht möglich, wiederholte er immer wieder. Im übrigen seien die Nachforschungen einer anderen Instanz übergeben worden. Und welcher? Das könne gegenwärtig nicht mitgeteilt werden.
    Ich mußte auch die Nachrichtensendungen im Fernsehen verfolgen. Ich mußte schauen, ob die Frau aus Preßburg wieder auftauchte, aber das war

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