Die guten Schwestern
verstanden. Aber worum handelt es sich? Meine Schwester ist im Knast. Und wie heißen Sie überhaupt?«
»Das tut nichts zur Sache.«
»Find ich doch. Ich möchte gerne wissen, mit wem ich rede.«
»Das ist mir klar. Aber am Telefon möchte ich darüber lieber nicht sprechen«, sagte er mit seinem tiefen Baß. Der Mann litt ganz offensichtlich unter Verfolgungswahn.
»Und wo sollen wir uns sehen?«
»Wir könnten uns auf dem Rastplatz Knudshoved treffen. Der liegt gleich hinter der neuen Brücke auf der Fünen-Seite.«
»Wie bitte? Ich soll bis Fünen fahren und die Brückenmaut berappen, wo Sie mir genausogut am Telefon erzählen können, worum es eigentlich geht? Sind Sie wahnsinnig?«
»Ich finde es nicht so gut, am Telefon darüber zu sprechen, aber es handelt sich um eine Frau in der Slowakei. Sie hat Ihnen bestimmte Unterlagen gegeben. Sie hat Ihnen eine Geschichte erzählt.«
Jetzt hatte er mein Interesse geweckt. Denn die Geschichte kannte ja eigentlich keiner. Außer Irmas Anrufbeantworter und der Mailbox ihres Computers und dann Lasse, der nur ein Kopfschütteln dafür übrig gehabt hatte.
»Woher wissen Sie das denn?«
»Ich finde, wir sollten uns sehen«, sagte er bloß.
»Okay«, sagte ich, ohne weiter darüber nachzudenken. »Um wieviel Uhr?«
»Sagen wir morgen vormittag gegen elf. Stellen Sie Ihren Wagen ab, und gehen Sie in das Café, dann wird man mit Ihnen Kontakt aufnehmen.«
»Wer?«
»Wir wissen, wie Sie aussehen. Abgemacht?«
»Scheint so«, sagte ich. Denn neugierig ist Teddy auch. Der Baß beendete das Gespräch. Ich wüßte gern, ob er Angst hatte, daß mein Telefon abgehört wurde. Das Schlimmste war, Janne anzurufen und um Erlaubnis zu bitten, mein eigenes Auto ausleihen zu dürfen. Sie wurde ziemlich knurrig, obwohl der Wagen von meinem Geld angeschafft worden war. Wir haben unsere Finanzen ja immer strikt auseinandergehalten. Ausgerechnet morgen brauche sie ihn ganz dringend. Man müsse ja auch an die Kinder denken. Könne das nicht ein paar Tage warten? Wofür brauchte ich ihn überhaupt?
»Das geht dich einen feuchten Kehricht an. Du hast dich jetzt aus meinen Angelegenheiten rauszuhalten, das hast du selber so entschieden. Außerdem ist es verflixt noch mal meine Karre, Janne! Ich brauche sie morgen früh Punkt neun! Und dann rückst du sie gefälligst raus!« rief der freundliche Teddy und knallte theatralisch den Hörer auf die Gabel. Ich wartete noch eine Stunde, aber sie rief nicht zurück, und sauer und vergrätzt ging ich schlafen.
Mir begegnen wollte sie offenbar nicht. Ich schaute am nächsten Morgen um acht aus dem Fenster, da stand unser feiner Renault ordentlich geparkt am Bordstein. Er war vom Kopenhagener Frühjahrsschmutz überzogen, und die Benzinuhr stand fast auf Null, als ich mich um halb zehn in den Wagen setzte und mich auf den Weg nach Fünen machte. Und als ich eines der kleinen Kuscheltiere der Kinder auf dem Rücksitz entdeckte und ihren und Jannes Geruch im Wageninneren bemerkte, spürte ich einen Kloß im Hals, ich haßte diesen Morgen und das graue, triste Wetter. Janne war eine fanatische Gegnerin des Rauchens im Auto, um also zu zeigen, wer der rechtmäßige Besitzer dieses Gefährts war, steckte ich mir eine Zigarette an und blies den Rauch auf die Polsterung. Aber ich war es nicht mehr gewöhnt, im Auto zu rauchen, ich hielt den Qualm nicht aus, so daß ich ein Fenster herunterkurbelte und die Kippe hinauswarf. Ich schaffte es gerade noch, es wieder zuzumachen, bevor eine dänische Regenbö über die geplagte Stadt hinwegfegte. Teddy bereut seine Taten, hätte das Bild heißen können.
An einer Tankstelle tankte ich voll und trank einen Kaffee. Es waren nur wenige Leute da, und es machte mich ganz glücklich, als mir die Bedienung einen schönen Tag wünschte, obwohl ihr das sicher herzlich egal war. Aber ein bißchen Freundlichkeit macht das Leben für uns alle leichter. Das Wetter klarte etwas auf. Die Sonne brach durch und schickte lange glänzende Strahlen auf eine grün schimmernde Landschaft, die zu allerlei Tollheiten aufgelegt zu sein schien und vor Frühlingsgefühlen nur so strotzte. Außer den dicken, schweren Lastzügen gab es nicht sehr viel Verkehr in Richtung Halsskov. Ich hielt mich an die vorgeschriebenen 130, wurde aber permanent in rasendem Tempo von neuen glänzenden Wagen überholt. Anscheinend hatten die Leute es eilig und faßten die Geschwindigkeitsbegrenzung als freundliche Empfehlung auf. Die Brücke tauchte
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