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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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auf. Die Pylonen ragten über den Horizont und glitzerten in der Sonne. Zuweilen vermißte ich die Fähren, aber so oft hatte ich sie eigentlich auch nicht benutzt, und in Wirklichkeit war ich wie die meisten Dänen von dem kostbaren Bauwerk mehr als beeindruckt. Im Grunde beschäftigte sich ja keiner mehr damit. Es hatte großen Widerstand gegen das Projekt gegeben. Aber dieser Brücke erging es genau wie allen anderen Brücken auch, die der Mensch erbaut hatte – als sie endlich fertig war, schien sie schon immer dagewesen zu sein, und alles Hin und Her war überstanden. Ich hatte sie schon etliche Male überquert, trotzdem war es immer wieder ein erhebendes Gefühl, über den blauen Belt zu schweben und zu spüren, wie der Wind am Wagen rüttelte, wenn man die großen Verankerungen passierte. Einen Augenblick lang verschwand Sprog0, als über der Meeresoberfläche wunderbarerweise eine Regenbö entstand und über die kleine Insel trieb und für einen kurzen Moment einen Regenbogen bildete, der sich vom Inselrand bis in den Großen Belt erstreckte. Ein größeres Küstenmotorschiff schien wie ein fliegender Holländer durch den Regenbogen zu fahren, ja, es schien zu zittern, als wäre es eine Luftspiegelung. Bevor ich auf die Niedrigbrücke fuhr, dachte ich, das Bild könnte heißen, Teddy erlebt ein Naturwunder. Diese Brücke war wirklich nichts weiter als ein Stück Autobahn, das auf dem Wasser lag. Wegen so etwas schrieb man keine Postkarte nach Hause.
    Die Raststätte Knudshoved lag am alten Fährbecken. Die Anlegestelle war leer bis auf ein rotes Rettungsschiff und ein kleines Holzboot mit Kajüte, das vermutlich die hiesigen Freizeitfischer benutzten. Auf dem Parkplatz standen nur wenige Autos. Ich stieg aus und knöpfte den Mantel gegen den heftigen Wind zu, den die Sonne nicht aufwärmen konnte. Ich streckte mich und massierte meinen Rücken. Es ging ihm besser, aber anderthalb Stunden in einem Auto mochte er immer noch nicht so wahnsinnig gern. Ich blickte mich um. Ein Auto fuhr auf den Parkplatz, hielt sich aber etwas abseits, als könne der Fahrer sich nicht recht entscheiden. Oder vielleicht hatte er gedacht, es gebe hier auch eine Tankstelle.
    Ich ging in das Café, holte mir einen Kaffee und das Ekstra Bladet und setzte mich. Ich hatte meine Tasse halb geleert und die Zeitung durchgeblättert, als ein jüngerer Mann vor mir stand und meinen Namen nannte. In der Zeitung hatte eine kürzere Geschichte über »Edelweiß« gestanden. »Die Spionin, die schweigt«, lautete die Überschrift, aber es war eine aufgewärmte Story, die mich auch nicht klüger machte. Ich erkannte den tiefen Baß. Ich hatte ihn sehr viel älter geschätzt, aber er war nicht mehr als Anfang Dreißig.
    »Trinken Sie ruhig noch Ihren Kaffee aus, aber dann sollten wir uns langsam aufmachen«, sagte er.
    »Er schmeckt grauenvoll«, sagte ich und stand auf, und wandte mich zur Tür, aber er faßte freundlich und bestimmt meinen Arm und zog mich zur Hintertür. Sie führte auf eine Terrasse, wo man im Sommer sein Essen und seinen Kaffee genießen konnte. Er führte mich zu dem kleinen Fischkutter.
    »Wollen wir segeln gehen?« fragte ich.
    »Nur auf die andere Seite der Bucht.«
    »Warum denn das? Ist doch einfach zu albern. Diese ganze Geheimniskrämerei.«
    »Jetzt gehen Sie schon an Bord.« Seine Stimme klang plötzlich hart.
    Ich stieg auf das Boot, das nachgab und sich bewegte. Sofort spürte ich eine aufsteigende Übelkeit.
    »Ich bin nicht seefest«, sagte ich. »Ich bin schon auf der Fähre über den Großen Belt seekrank geworden. Bei Windstille.«
    »Die Fahrt wird nicht lang dauern«, sagte er und wies in eine kleine Kajüte, in der ein Tisch mit einer Klappbank auf jeder Seite stand. Vor den Fenstern hingen Gardinen, und der Geruch von Benzin und Fisch war penetrant. Ich guckte durch die niedrige Tür hinaus, die in der Seemannssprache bestimmt einen besonderen Namen hatte, und sah ihn die Leinen losmachen und den Motor anlassen, der auf Anhieb mit einem eigentlich ganz beruhigenden Ploppen startete. Ich hörte, wie ein Auto beschleunigte, und das Geräusch von rennenden Füßen und Rufen.
    »Was war denn das?« sagte ich laut.
    »Jemand, der Sie beschattet hat. Damit haben wir eigentlich gerechnet«, sagte er über das ruhige, eintönige Brummen des Motors hinweg.
    »Warum sollte mich denn jemand beschatten?« rief ich.
    »Wegen Ihrer Schwester natürlich«, sagte er. »Kommen Sie ruhig hoch, wenn Sie sich an der frischen

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