Die guten Schwestern
verkaufen.
»So was darfst du nicht sagen«, sagte Fritz endlich.
»Nein. Das darf ich nicht«, sagte ich gutmütig. »Ich habe ihn ja nicht gekannt, meinen biologischen Vater. Stimmt doch, oder? Mein Vater war Poul, okay?«
»Vater war ein guter Mann«, sagte er.
»Schon gut, Fritz. Ich hab ihn nicht gekannt. Also okay, ich bin vielleicht zu weit gegangen.«
»In Ordnung«, sagte er, aber ich konnte ihm ansehen, daß es nicht in Ordnung war. Wir schwiegen, wahrscheinlich nicht mehr als eine Minute, aber es kam mir viel länger vor. Schließlich sagte der Alte:
»Du hast in Preßburg eine Frau kennengelernt…«
»Woher weißt du das denn?« fragte ich.
»Es ist Andreas Tochter. Ich sagte ja, wir halten zusammen und helfen uns gegenseitig. Auch über die Grenzen hinaus. Nicht um die Macht zu ergreifen oder den Nazismus wiederzubekommen, sondern nur um uns zu helfen… Du hast Maria gesehen, nicht wahr?«
»Ich wurde von einer Frau aufgesucht, die sich Maria nannte und eine wilde Story erzählte, sie wäre meine Halbschwester. Und mein biologischer Vater wäre nicht vor tausend Jahren in einer Kneipe in Hamburg gestorben, sondern hätte bis ans Ende seiner Tage glücklich in Kroatien gelebt. Wenn das die Geschichte ist, an die du denkst.«
»Das ist die Geschichte, an die ich denke«, sagte er und legte die gefalteten Hände vor der Tasse mit dem Muschelmuster auf den Tisch. »Das ist die Geschichte, an die ich denke, und ich denke daran, ob sie dir etwas gezeigt hat, was die Geschichte beweisen konnte.«
»Das hat sie tatsächlich. In Text und Bild. Sehr überzeugend«, sagte ich.
»Das Material ist wahrscheinlich zu Hause?«
»Das Material ist nicht zu Hause.«
»Hast du es dabei?« sagte er überrascht und erfreut.
»Nein. Ich hab’s nicht mehr.«
Es wurde still am Tisch, bis Karl Viggo und Karl Henrik Jensen beide gleichzeitig fragten, ob ich es weggeworfen, ob ich es zerstört hätte. Ich erzählte, was ja die Wahrheit war, daß ich es in meinen Koffer gepackt hatte, der verschwunden war, wie so viele Koffer auf dem Weg von einem Ziel zum anderen verschwanden. Daß mein Koffer, den Auskünften der SAS zufolge, anscheinend aus freien Stücken beschlossen habe, einen Großteil unserer anmutigen Erde kennenzulernen, worauf er sich unter dem Eindruck seines neuen Lebens als Weltenbummler offenbar entschieden habe, sich in Luft aufzulösen.
Sie fanden meine Darlegung nicht sonderlich witzig, aber das war mir egal. Wahrscheinlich hatten sie sich vorgestellt, die Briefe und Fotos könnten in ihre kleine SS-Kapelle eingehen, aber die Erlaubnis hätten sie nie von mir gekriegt, mochte der Koffer nun verschwunden sein oder nicht. Das sagte ich ihnen freilich nicht, sondern bat sie statt dessen, mich zu meinem Auto zurückzufahren. Sie schauten sich kurz an und standen auf.
Draußen auf dem Hof blieb ich mit Fritz zusammen stehen. Es war eine überaus friedliche Stimmung. Ein paar Hühner trippelten umher, und die Vögel hatten angefangen zu singen. Es lag dieser unverkennbare Frühlingsduft in der Luft, als wollte einem eine Extraportion Licht und Ozon ins Hirn dringen.
»Ich möchte bei eurer Bande nicht dabeisein, Fritz«, sagte ich dann. »Und ich finde, du solltest den ganzen alten Mist auf sich beruhen lassen.«
»Das ist ein seltsamer Standpunkt für einen Historiker«, sagte er dunkel.
»Das da ist keine Geschichte, das ist Fetischismus«, sagte ich und reichte ihm die Hand. »Wir hören noch voneinander.«
»Ich habe mit dem Anwalt gesprochen, und wir sind uns einig geworden«, sagte er und ließ meine Hand los. »Er übernimmt Irmas Fall, aber er hat gesagt, in den nächsten zwei, drei Wochen ist noch nichts zu machen. Nicht bevor sie wieder einem Richter vorgeführt wird.«
»Gut. Und danke.«
»Na hör mal«, sagte er. »Wenn man schon die Mittel hat, und es die eigene Schwester ist…«
»Trotzdem.«
Ich weiß nicht, wieviel Karl Henrik getrunken hatte, aber er fuhr mich still und ruhig nach Knudshoved zurück, wo mein Auto wartete. Der junge Fahrer war offensichtlich verschwunden. Auf der Fahrt fiel kein Wort. Ich war müde und hatte Kopfschmerzen. Auch der Rücken machte wieder Scherereien, aber daran hatte ich mich mittlerweile gewöhnt, obwohl es weh tat. Einen Moment lang überlegte ich, nach Nyborg hineinzufahren und den Zug zu nehmen, dann hätte Janne die Scheißkarre selber abholen dürfen, aber das wäre nun doch zu albern gewesen, und so viel hatte ich nun auch nicht
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