Die guten Schwestern
Vereins.«
»Welches Vereins?« fragte ich.
»Des Veteranenvereins, dessen Sekretär ich bin. Wir setzen uns für die Rehabilitation der Gefallenen, der Vermißten, der Verurteilten, der Überlebenden ein…«
»Vater war einer von ihnen«, sagte Fritz.
»Was geht mich das an!« sagte ich barsch, und er duckte sich wieder, aber Karl Henrik fuhr fort, während der Alte die Szene mit den kalten eisblauen Augen in seinem gelben Gesicht betrachtete.
Karl Henrik beugte sich über den Tisch.
»Wir sind weder alte noch neue Nazis. Vielleicht hat mein Onkel seinen Glauben nie so ganz aufgegeben, aber er hat jahrelang die Liberalen gewählt, jetzt, glaube ich, wird er wohl die Dänische Volkspartei wählen…«
»Darauf kannst du Gift nehmen. Jetzt sind nicht mehr die Juden die Gefahr für das Dänentum, jetzt machen die Moslems alles kaputt, was gut ist in unserem Lande, und wieder versagen die Altparteien, genauso wie sie uns damals im Stich gelassen haben.«
»Jetzt halt mal den Mund und laß mich erklären.«
»Brauchst du nicht. Ich werde zusehen, daß ich mich heimwärts bewege«, sagte ich, aber Fritz legte mir die Hand auf den Arm und bat mich eindringlich:
»Hör doch mal eben zu, Theodor. Tu es für mich und für Irma.«
Ich blieb also sitzen und hörte zu, und rauchte hastig noch eine Zigarette. Hier wurde wieder die alte Dolchstoßlegende präsentiert. Karl Henrik erzählte, was ja wahr ist, daß sich 12000 junge Dänen freiwillig zum Freikorps Dänemark und zur Waffen-SS gemeldet hatten. 6000 kamen an die Ostfront. Vermutlich 3000 fielen oder sind vermißt. Es war der größte dänische Kriegseinsatz seit der Niederlage gegen die Preußen 1864. Sie waren bei den ersten Blitzsiegen dabei, und die letzten fielen im zerbombten Berlin im Mai 1945. Sie wurden mit dem Segen der dänischen Regierung 1941 verabschiedet und 1945 von denselben Politikern gemäß rückwirkenden Gesetzen verurteilt. Sie waren jahrelang verachtet und ausgestoßen.
»Wir arbeiten für ihre Rehabilitation und dafür, daß sie für die Ungerechtigkeit, die ihnen nach dem Krieg widerfahren ist, eine Entschuldigung bekommen.«
»Es war ein Unrecht«, sagte der Alte.
»Die Entschuldigung kriegt ihr nie, und darüber freue ich mich«, sagte ich. »Diese rechtschaffenen Männer kämpften für die nazistische Todesmaschinerie in einer SS-Organisation, die in Nürnberg wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit kollektiv verurteilt wurde. Ihr kotzt mich an!«
Die Augen des Alten schienen wie Feuer zu glühen, und Fritz fingerte nervös an der Tischdecke herum, aber Karl Henrik bewahrte die Ruhe und sagte:
»Du gehörst selbst dazu. Dein Vater wurde unrechtmäßig verurteilt.«
»Ja, er war Soldat, kein Verbrecher«, sagte der Alte.
»Ich will nicht dazugehören«, sagte ich.
»Wir sind inzwischen mehrere Hundert im Veteranenverband«, sagte Karl Henrik. »In den letzten Jahren haben wir viele neue Mitglieder bekommen. Die meisten sind Nachkommen ehemaliger Frontsoldaten, die nun erkannt haben, welche Ungerechtigkeit ihren Verwandten widerfahren ist. Wir unterstützen uns gegenseitig. Wir helfen uns, aber wir nehmen keine Neonazis auf, obwohl sie es beantragt haben.«
»Was für ein Netzwerk«, sagte ich ironisch, aber darauf ging keiner ein, und der Alte sagte:
»Wir möchten dir gerne jede erdenkliche Hilfe anbieten, damit du Irma helfen kannst. Es ist besser, wenn das durch dich geschieht als durch einen von uns…«
»Welche Rolle spielt Irma in dieser Geschichte hier, Fritz?« sagte ich.
Fritz sah seine beiden Kumpanen an, dann entgegnete er:
»Irma hat viele Jahre im Verband mitgemacht. Sie unterstützt unser Ziel…«
»Verdammt noch mal, Irma ist Marxistin oder war es jedenfalls…«
»Über Politik wird im Verband nicht gesprochen, Theodor«, sagte Fritz. »Besser, du sprichst selber mit ihr.«
Ich sah ihn nur an und wunderte mich wieder einmal, daß er es geschafft hatte, so viel Geld zu verdienen. Wieder kam Karl Henrik ihm zu Hilfe, und in seinen Worten hörte ich das Echo meiner großen Schwester:
»Auch aufgrund ihrer marxistischen Analyse des Krisenkapitalismus der dreißiger Jahre ist Irma zu der Erkenntnis gelangt, daß die Ostfrontfreiwilligen ebensolche Opfer waren wie die Widerstandskämpfer. Nur daß sie in der Mehrzahl waren. Die wahren Schurken sind die Zusammenarbeitspolitiker, die Dänemark erst in diese prekäre Lage gebracht haben. Und in ihrer grenzenlosen Heuchelei und Doppelmoral konnten sie die
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