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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Papier in die Jacke und behielt die Hand in der Tasche. Plötzlich sah er, wie einer der beiden Mafiagorillas, die er schon vorhin bemerkt hatte, sich in Bewegung setzte, um hinter dem Jungen herzulaufen. Es war hoffnungslos. Der Junge fiel in einen eleganten, leichten Trab, lief die Nebenstraße hinauf, bog in eine andere und war verschwunden, bevor der schwere Mann überhaupt in Fahrt gekommen war.
    Toftlund schlenderte langsam wie ein Tourist zum Hotel zurück. Der Mann mit dem Ohrring stellte sich absichtlich mitten auf die schmale Gasse. Er hatte eine kleine Narbe über dem linken Auge. Toftlund zog die Hand aus der Tasche und ließ die Arme frei schwingen. Er trat auf den Fußballen auf, er suchte sein Gleichgewicht. Der uniformierte Beamte, der vorhin dagewesen war, war verschwunden. Als ob ihn jemand mit ein paar Scheinen in der Hand gebeten hätte, eine Tasse Kaffee trinken zu gehen, und zwar am besten ein paar Straßen weiter.
    »Hat der Zigeuner Sie belästigt?« sagte die Lederjacke. Sein Englisch hörte sich an wie das eines Ganoven in einem schlechten Film. Toftlund wollte um ihn herumgehen, aber er machte einen kleinen Schritt und versperrte ihm wieder den Weg. Toftlunds Herz fing an schneller zu schlagen. Er schätzte ihn ein. Der Kerl war groß, schien aber langsam zu sein. Die Sache mußte erledigt sein, bevor sein Kumpel wieder da war.
    »Nein«, sagte Toftlund.
    »Sie sollten Bettlern nichts geben.«
    »Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte Toftlund und trat einen Schritt zur Seite, aber die Lederjacke machte auch einen Schritt, als würden sie tanzen.
    »Jedenfalls nicht, wenn Sie dafür nichts bekommen.«
    »Sie stehen im Weg.«
    »Vielleicht haben Sie was erhalten, was Sie an mich abliefern sollten.«
    Toftlund hörte Passanten, aber sie hielten sich abseits. Niemand schien direkt in der Nähe zu sein. Als ob die Preßburger wüßten, daß es unklug war, gewisse Dinge gesehen zu haben. Trotzdem spürte Toftlund, daß er den andern den ersten Schritt machen lassen sollte. Der Stiernacken sollte der erste sein, der Hand an ihn legte, aber jetzt wurde es Zeit, Tacheles zu reden und die Komödie zu beenden. Zweifellos wußte der Typ, wer er war.
    »Fuck you!« sagte Toftlund.
    Das war genug. Der Typ war so selbstsicher, daß er einen Schritt vortrat, die Brust vorstreckte, die rechte Hand hob und Toftlund am linken Oberarm packte. Er war es gewohnt, seinen Willen zu bekommen. Er war es gewohnt, andere Leute einzuschüchtern. Die Formalitäten mußte der Boß dann später mit den Behörden regeln. Seine Überheblichkeit machte ihn unvorsichtig und dumm. Toftlunds Rechte schnellte hoch, er griff mit einer raschen Bewegung nach dem Ohrring und riß ihn ab, daß das Blut spritzte. Das mußte entschieden weh getan haben, denn der Schläger ließ Toftlunds Arm los und preßte seine Hand an das Ohr, das plötzlich ohne Läppchen auskommen mußte. Toftlund schlug ihm mit der linken Faust hart gegen die Brust, so daß er gegen eine Hauswand taumelte, warf ihm den kleinen Ohrring ins Gesicht und ging mit schnellen Schritten auf das Stadttor zu. Ein älteres Ehepaar drückte sich an eine Hausmauer. Zwei junge Mädchen schauten erschrocken, aber sie sprachen ihn nicht an, und als er zurückblickte, stand die Lederjacke mit einer Hand am Ohr und versuchte mit der andern eine Nummer auf seinem Handy zu wählen.
    Toftlunds Herz hämmerte, aber er hatte keine Angst. Trotzdem war er froh, als er die Hotellobby betrat. Er ging an die Bar und bestellte eine Tasse Kaffee. Er konnte durch die großen Panoramafenster sehen. Der andere Schläger stand draußen und guckte, kam aber nicht herein. Auch er telefonierte mit einem Handy, und kurz darauf kam ein schwarzer BMW und holte ihn ab. Toftlund zog den Zettel aus der Tasche. Er war sorgfältig gefaltet, als wäre es ein Liebesbrief, der in der Schule von der hintersten in die erste Reihe weitergegeben werden sollte. Da stand mit deutlichen Blockbuchstaben: »Sie wurden beschattet. Morgen zur selben Zeit. Aber in Prag. Auf der Karlsbrücke.«
    Er ging ins Reisebüro, das neben dem Empfang und dem üblichen Businesscenter mit Fax, Telefon und Computern mit Internetzugang lag, und gab der Frau sein Bündel Flugtickets.
    »Ich möchte gern mit der nächsten Maschine nach Prag. Gibt es mehrere Abflüge heute?«
    »Einige. Wann möchten Sie fliegen?«
    »So schnell wie möglich.«
    »Checken Sie einfach aus, dann werde ich das in der Zwischenzeit für Sie regeln.«
    »Das

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