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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Angelegenheit. Er versuchte nichts anderes, als sich die Gesprächspartner zu erziehen, die er suchte. Es gab so vieles, was sie erst lernen mussten, ehe es einen Sinn hatte, mit ihnen über die Fragen zu diskutieren, die ihn bewegten. So hatten sie, wie die meisten Menschen, nur sehr verschwommene Vorstellungen von der Beschaffenheit der Welt, in der sie lebten. Der Kaiser lebte »in einem Palast in den Sternen«, so viel wussten sie – aber was das bedeutete, wussten sie nicht. So musste er sie erst lehren, was er über Sterne und Planeten wusste, dass die Sterne am Nachthimmel nichts anderes waren als weit entfernte Sonnen, von denen viele Planeten besaßen, auf denen ebenfalls Menschen lebten; dass alle diese Planeten selbstverständlich zum Kaiserreich gehörten und dass es einen Planeten gab, unermesslich weit entfernt im Herzen des Reiches, auf dem der gewaltige Sternenpalast stand. Er musste ihnen beibringen, wie man Flächeninhalte berechnete, musste sie den Umgang mit großen Zahlen lehren. Und dann erst konnte er anfangen, sie behutsam mit seinen ketzerischen Überlegungen vertraut zu machen.
    Doch unglücklich wird, wer beginnt, am Kaiser zu zweifeln, und er bringt auch Unglück über alle, die mit ihm zu tun haben. Es beginnt an einem Punkt und breitet sich dann aus wie ein verzehrendes Feuer …
    Auch am nächsten Tag, während des Unterrichts, verfolgten ihn seine Erinnerungen. Der kleine Raum war wie üblich bis auf den letzten Stuhl und den letzten freien Sitzplatz auf dem Boden besetzt, und heute gelang es ihm nur mit Mühe, die Horde quirliger Kinder zu bändigen. Die Klasse las im Chor, und Parnag folgte dem Text in seinem eigenen Buch geistesabwesend, versuchte Stimmen herauszuhören, die schlecht lasen oder langsam. Normalerweise gelang ihm das, aber heute hörte er Stimmen von Leuten, die gar nicht da waren.
    »Ein Prediger spricht auf dem Marktplatz«, rief einer der älteren Jungen, der Sohn des Tuchhändlers. »Mein Vater hat gesagt, ich soll nach dem Unterricht hingehen.«
    »Wir können alle zusammen hingehen«, erwiderte Parnag. In religiösen Dingen achtete er stets darauf, sich besonders eifrig zu geben.
    Das war nicht immer so gewesen. In seinen jungen Jahren war er offener gewesen, hatte sich und seine Gefühle bedenkenlos mitgeteilt. Wenn es ihm nicht gut ging, dann entschuldigte er sich vor seinen Schülern dafür, und wenn ihn ein Problem beschäftigte, dann ließ er durchaus auch während des Unterrichts die eine oder andere Bemerkung fallen. Auch damals, als ihn die Bücher in tiefe Zweifel und Verwirrung gestürzt hatten, hatte er seinen Schülern davon zu erzählen versucht.
    Er hatte in verständnislos dreinblickende Kinderaugen gesehen und daraufhin das Thema gewechselt. Nur einer seiner Schüler, ein aufgeweckter, ungewöhnlich intelligenter Junge namens Abron, reagierte anders.
    Zu seiner Verblüffung fand Parnag in diesem kleinen, mageren Jungen den Gesprächspartner, den er unter den Erwachsenen erfolglos gesucht hatte. Abron wusste so wenig, aber was er wusste, war ihm Grundlage für erstaunlich eigenständige Gedanken. Er konnte einen aus seinen dunklen, unergründlichen Augen anblicken und mit der schlichten, geradlinigen Intelligenz des Kindes brüchige Schlussfolgerungen durchschauen und Fragen stellen, die den Kern einer Sache genau trafen. Parnag war fasziniert, und ohne Bedenken lud er den Jungen ein, an den Abenden seines Kreises teilzunehmen.
    Abron kam und saß mit großen Augen dabei, ohne ein Wort zu sagen. Sein Vater, Ostvan der Ältere, ein Haarteppichknüpfer, verbot ihm daraufhin den Besuch der Schule vollständig.
    Der Lehrer bot Abron an, er könne zu ihm kommen, wann er wolle und sooft er wolle, um alle seine Bücher zu lesen und ihn alles zu fragen, was ihn interessierte. Und Abron wurde ein regelmäßiger Gast in Parnags Haus. Immer wieder schlich er sich unter Vorwänden in die Stadt, um dann Stunden und ganze Nachmittage über den Büchern des Lehrers zu verbringen, während dieser ihm Tee von seinen besten Kräutern kochte und alle Fragen des Jungen nach besten Kräften beantwortete.
    Diese Stunden, erkannte Parnag in der Rückschau erschüttert, waren die glücklichsten seines Lebens gewesen. Abron wuchs ihm ans Herz wie ein eigener Sohn; er bemühte sich mit geradezu väterlicher Zärtlichkeit, den unersättlichen Wissensdurst des Kindes zu stillen.
    So kam es, dass Abron anwesend war, als Parnag unerwartet Besuch erhielt von dem Freund, der

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