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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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krampfte sich zusammen, als sie erkannte, dass das kleine Kind ein Junge war.
    »Entschuldigt, ist dies das Haus des Ostvan?«, fragte sie mühsam.
    »Ja«, sagte die Frau und musterte sie neugierig von Kopf bis Fuß. »Und wer seid Ihr?«
    »Mein Name ist Dirilja. Ich suche Abron.«
    Ein Schatten verdüsterte das Gesicht der Frau. »Warum suchst du ihn denn?«
    »Er war … Ich meine, wir hatten … Ich bin die Tochter des Haarteppichhändlers Moarkan. Abron und ich hatten einander versprochen … aber er kam nicht und …« Sie stockte, als die Frau bei diesen Worten vortrat und sie umarmte.
    »Mein Name ist Garliad«, sagte sie. »Dirilja, Abron ist tot.«
    Sie geleiteten sie nach innen, Garliad und Mera, die Hauptfrau des Ostvan. Sie setzten sie auf einen Stuhl und stellten ihr ein Glas Wasser hin. Dirilja erzählte ihre Geschichte, und Mera, Abrons Mutter, erzählte die ihre.
    Und als alles gesagt war, schwiegen sie.
    »Was soll ich denn nun machen?«, fragte Dirilja leise. »Ich habe meinen Vater verlassen ohne seine Erlaubnis; er muss mich verstoßen, und falls ich ihm je wieder begegne, muss er mich töten. Ich kann nicht mehr zurück.«
    Garliad nahm ihre Hand. »Du kannst hier bleiben. Ostvan wird dich zur Nebenfrau nehmen, wenn wir mit ihm sprechen und ihm alles erklären.«
    »Hier bist du in Sicherheit, wenigstens das«, sagte Mera und fügte hinzu: »Ostvan ist alt. Er wird dir nicht mehr beiwohnen können, Dirilja.«
    Dirilja nickte langsam. Ihr Blick fiel auf den kleinen Jungen, der auf dem Boden saß und mit einem kleinen hölzernen Knüpfrahmen spielte, wanderte hin zur Tür, die weit offen stand, und hinaus in die Ferne, über die ungezählten Felskämme und Täler, das staubige, unfruchtbare Ödland, das nur den endlosen Wind kannte und die erbarmungslose Sonne. Dann öffnete sie ihr Bündel und begann, ihre Sachen auszupacken.

Der Haarteppichprediger
    Ein plötzlicher Windstoß zerzauste sein Haar, wehte ihm die Strähnen ins Gesicht. Er schob sie mit einer ärgerlichen Handbewegung zurück und musterte dann missmutig die weißen Haare, die zwischen seinen Fingern hängen geblieben waren. Jede Erinnerung daran, dass er unaufhaltsam älter wurde, war ihm zuwider. Als er seine Hände ausschüttelte, war es, als wolle er damit gleichzeitig diesen Gedanken abschütteln.
    Er hatte sich zu lange aufgehalten in all diesen Häusern, hatte zu oft versucht, widerspenstige Väter zu belehren. Die Erfahrung eines langen Lebens hätte ihm sagen sollen, dass er damit nur seine Zeit verschwendete. Jetzt waren es schon die Abendwinde, die da an seinem abgeschabten grauen Umhang zerrten, und es begann, kühl zu werden. Die langen, einsamen Wege zwischen den abgelegenen Häusern der Haarteppichknüpfer fielen ihm mit jedem Jahr schwerer. Er beschloss, nur noch einen Besuch abzustatten und sich dann auf den Heimweg zu machen. Das Haus des Ostvan lag ohnehin am Weg.
    Einen Vorteil hatte das Alter immerhin, der ihn bisweilen etwas versöhnlicher stimmte: Es verlieh ihm in den Augen der Menschen eine Autorität und Würde, wie es ihm das wenig geachtete Amt eines Lehrers niemals eingebracht hatte. Immer seltener passierte es ihm, dass er darüber diskutieren musste, ob Kinder den Schulunterricht besuchen sollten, oder dass sich ein Vater gar weigerte, das Schulgeld für das nächste Jahr zu bezahlen. Und immer öfter genügte ein strenger Blick, um solche Einwände im Keim zu ersticken.
    Aber all das, dachte er, während er keuchend den steilen Pfad hinaufschlurfte, wäre nicht Grund genug, alt zu werden, wenn ich es mir aussuchen könnte. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, dem Kalender vorzugreifen und das Schulgeld einige Zeit früher als üblich einzutreiben, damit er seine Rundgänge in der kalten Jahreszeit machen konnte. Vor allem die Besuche bei den Haarteppichknüpfern, die alle weit außerhalb der Stadt wohnten und zu denen man, wie es ihrem Stand gebührte, hingehen musste, wenn man etwas von ihnen wollte – das waren stets mühsame Tage. In der Sonnenglut des Jahreswechsels wollte er sich diese Gänge nicht mehr zumuten.
    Endlich erreichte er die Terrasse vor dem Haus. Er gönnte sich einige Minuten des Verschnaufens, während derer er das Haus des Ostvan betrachtete. Es war ziemlich alt, wie die meisten der Wohnsitze der Haarteppichknüpfer. Das scharfe Auge des Lehrers erkannte in der Anordnung der Mauersteine eine Fügetechnik, wie sie im letzten Jahrhundert gebräuchlich gewesen war. Einige

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