Die Haarteppichknüpfer - Roman
er war völlig fassungslos über meine Ansicht. Diese Teppiche zu knüpfen muss hier wohl so etwas wie eine heilige Handlung sein. Übrigens hat er daraus, dass ich nicht wusste, was ein Haarteppich ist, messerscharf gefolgert, dass ich von einem anderen Planeten komme.«
Nargant schnappte nach Luft. »Und was hast du gesagt?«
»Ich habe es zugegeben. Warum auch nicht? Ich finde es interessant, dass die Leute hier von anderen bewohnten Welten wissen; das hätte ich nicht erwartet, nachdem hier alles ziemlich primitiv aussieht.«
Zu seiner eigenen Verwunderung bemerkte Nargant, dass seine Hände zitterten. Erst jetzt spürte er, dass ihm regelrecht schlecht war, schlecht vor Angst. In ihm war eine Spannung, die erst nachlassen würde, wenn dieses Abenteuer vorbei und Nillian wieder an Bord war, eine Spannung, die wider alle Vernunft versuchte, sie beide vor den Folgen ihrer offensichtlichen Insubordination zu schützen.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte er und hoffte, dass seine Stimme nichts von all dem verriet.
»Diese Haarteppiche interessieren mich«, erklärte Nillian unbekümmert. »Ich habe ihn gebeten, mir den Teppich zu zeigen, an dem er arbeitet, aber er sagt, das könne er nicht. Keine Ahnung wieso; er hat irgendwas gemurmelt, das ich nicht verstanden habe. Aber wir werden einen Kollegen von ihm besuchen, einen anderen Haarteppichknüpfer, und dort kann ich mir dessen Teppich ansehen.«
Es war eine körperliche Angelegenheit. Sein Verstand wusste, dass die Rebellen eine andere Auffassung von Disziplin hatten, aber sein Körper wusste nichts davon. Sein Körper war eher bereit zu sterben, als einen Befehl zu missachten.
»Wann geht ihr dorthin?«
»Ich habe ihm ein Aufbaupräparat gegeben; ich warte noch, bis das wirkt. Eine Stunde vielleicht. Der Mann war ziemlich erledigt. Aber es ist nicht aus ihm herauszukriegen, was er da in der Wüste wollte. Ziemlich geheimnisvolle Geschichte, das Ganze.«
»Trägst du die einheimische Tracht?«
»Natürlich. Übrigens sagenhaft unbequem; kratzt an Stellen, von denen du nicht einmal wusstest, dass es sie gibt.«
»Wann meldest du dich wieder?«
»Sofort nach dem Besuch bei dem anderen Haarteppichknüpfer. Wir haben einen Fußmarsch von zwei bis drei Stunden vor uns; glücklicherweise steht die Sonne schon ziemlich tief, und es ist nicht mehr ganz so heiß. Es kann sein, dass man uns einlädt zu übernachten, was ich natürlich nicht abschlagen werde.«
»Das Funkgerät hast du für alle Fälle bei dir?«
»Selbstverständlich.« Nillian lachte auf. »He, machst du dir Sorgen um mich?«
Nargant spürte einen Stich bei diesen Worten. Eigentlich nicht, erkannte er und kam sich hässlich und gemein vor. Eigentlich machte er sich nur Sorgen um sich selbst, darum, was mit ihm geschehen würde, wenn Nillian etwas zustieße. Er hatte die Zuneigung nicht verdient, die der junge Rebell ihm entgegenbrachte, denn er war unfähig, sie zu erwidern. Alles, was er konnte, war, ihn um seine Leichtigkeit und innere Freiheit zu beneiden und sich daneben wie ein Krüppel vorzukommen.
»Ich bin zum Umfallen müde«, erklärte er ausweichend. »Ich werde versuchen, ein wenig zu schlafen. Viel Erfolg. Ende.«
»Danke. Ende«, erwiderte Nillian. Ein vernehmliches Knacken war zu hören, und der Rekorder schaltete sich wieder ab.
Nargant blieb im Sessel sitzen, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Ihm war, als vibrierten seine Augäpfel. Bestimmt werde ich nicht schlafen können, dachte er. Aber er schlief ein, ehe er es fertigbrachte, die Augen noch einmal zu öffnen, und glitt in einen unruhigen Traum hinüber.
Als er wieder erwachte, brauchte er eine ganze Weile, ehe ihm einfiel, wo er sich befand und was geschehen war. Mit taubem Hirn starrte er auf die Ziffern der Borduhr und versuchte erfolglos herauszufinden, wie lange er geschlafen hatte. Das Zählwerk des Rekorders hatte sich jedenfalls noch nicht weiterbewegt, und das hieß, dass sich Nillian noch nicht wieder gemeldet hatte.
Er trat an eine Sichtluke und sah hinaus, hinunter auf die gewaltige Sphäre des Planeten. Eine endlose, von Pol zu Pol reichende Dämmerungszone zog über die schmutzigbraune Oberfläche. Es war wie ein Schock, als ihm unvermittelt klar wurde, dass es in der Gegend, in der sich Nillian aufhielt, bereits früher Morgen war. Er hatte die ganze Nacht geschlafen.
Und Nillian hatte sich nicht gemeldet.
Er griff nach dem Mikrofon und aktivierte mit einer viel zu groben Bewegung den
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