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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Herrscher, wenn sie auch sonst nicht sehr viel über das Reich wissen. Als ich ihm von der Rebellion erzählte, wollte er mir jedenfalls kein Wort glauben.«
    Nargant konnte sich noch gut an eine Zeit in seinem Leben erinnern, als der Kaiser auch für ihn Mittelpunkt des Universums gewesen war. Selbstjetzt, nach zwanzig Jahren mühsamer, blutiger Säkularisation spürte er immer noch einen Schmerz an der Stelle, an der einmal dieser Glaube gewesen war; einen Schmerz, der zu tun hatte mit Scham, dem Gefühl, versagt zu haben – und mit Verlust.
    Der junge Rebell hatte es gut. Er war damals noch ein Kind gewesen, und er war in seiner ganzen Erziehung niemals der alles erdrückenden Maschinerie der Priesterkaste ausgesetzt gewesen. Er ahnte nicht einmal, mit welchen Qualen sich jemand wie Nargant wohl den Rest seines Lebens herumplagen musste.
    »Zum Glück hatte ich das Flugboot an einer schwer einsehbaren Stelle gelandet; ich glaube nicht, dass er das gesehen hat. Trotzdem werde ich mir einen anderen Platz für mein Nachtlager suchen.«
    Der Rest des Tages verlief ruhig. Nillian flog verschiedene Stellen an und nahm Bilder auf, die er dann an das Raumschiff hochfunkte. Nargant konnte die Fotografien auf dem Monitor betrachten, Aufnahmen von weiten, öden Landschaften, von alten, schiefen, baufälligen Hütten und kaum erkennbaren Fußpfaden, die sich endlos durch felsige Schluchten zogen.
    Am nächsten Morgen gab Nillian seine ursprüngliche Absicht auf, einfach in die Stadt zu marschieren und sich umzuschauen, sondern verbrachte den ganzen Tag damit, einzelne Wanderer ausfindig zu machen, die entweder zu Fuß oder auf kleinen Reittieren unterwegs waren. Er landete in sicherer Entfernung, ging auf sie zu und fragte sie aus. Bei einem dieser Kontakte erstand er von einer alten Frau eine vollständige Ausstattung mit einheimischen Kleidungsstücken im Austausch gegen seinen unerhört kostbaren Armreif. Diese Opferbereitschaft Nillians beeindruckte Nargant unwillkürlich, und er musste vor sich zugeben, dass ihn auch die Umsicht beruhigte, mit der der Rebell vorging.
    Am Mittag des nächsten Tages entdeckte Nillian einen Mann, der sich in der Wüste offenbar verlaufen hatte. »Ich beobachte ihn seit einiger Zeit. Es ist mir rätselhaft, wieso ein Mann hier zu Fuß unterwegs ist; er kann nur aus der Stadt kommen, und von da aus muss er wenigstens einen ganzen Tag unterwegs gewesen sein. Da unten herrscht eine gnadenlose Hitze, und es gibt nirgends Wasser. Er scheint immer hinzufallen.« Er schwieg eine Weile. »Jetzt steht er nicht mehr auf. Wahrscheinlich ist er bewusstlos geworden. Nun ja, auf diese Weise kann ich ihm den Anblick des Flugbootes ersparen. Ich lande jetzt.«
    »Spritze ihm ein Beruhigungsmittel«, riet Nargant. »Sonst erwacht er bei dir im Flugboot, und du weißt nicht, wie er dann reagiert.«
    »Gute Idee. Welche Phiole ist das? Die gelbe?«
    »Ja. Gib nur die halbe Dosis; sein Kreislauf dürfte ziemlich geschwächt sein.«
    »In Ordnung.«
    Nargant verfolgte anhand der Geräusche, die aus dem Lautsprecher drangen, wie Nillian den Bewusstlosen aufnahm und zu einem kühlen, schattigen Ort transportierte. Dort flößte er ihm anderthalb Flaschen Wasser ein. Dann galt es zu warten, bis der Gerettete wieder erwachte.
    »Nargant, hier ist Nillian.«
    Nargant fuhr hoch. Er war im Pilotensessel eingenickt.
    »Ja?«
    Es krachte und knackste ein wenig im Lautsprecher, dann fragte Nillian: »Sagt dir der Begriff Haarteppich etwas?«
    Nargant kratzte sich ratlos an der Brust und überlegte. »Nein«, sagte er dann. »Ich könnte mir höchstens denken, dass damit ein Teppich gemeint ist, der aus Haaren gemacht wird oder zumindest so aussieht. Wieso fragst du?«
    »Ich habe mich ein bisschen mit dem Mann unterhalten. Er hat mir erzählt, er sei von Beruf Haarteppichknüpfer. Beruf ist vielleicht nicht genau das richtige Wort; so, wie er es sagte, klang es eher nach einer gesellschaftlichen Kaste. Jedenfalls habe ich mich vergewissert; er meint damit tatsächlich, dass er einen Teppich aus Haaren knüpft, und zwar aus Menschenhaaren.«
    »Aus Menschenhaaren?« Nargant versuchte immer noch, richtig wach zu werden. Warum erzählte Nillian ihm das alles?
    »Dabei muss es sich um eine aufwändige Angelegenheit handeln. Wenn ich ihn nicht völlig missverstanden habe, braucht er sein ganzes Leben lang, um einen einzigen dieser Haarteppiche zu knüpfen.«
    »Klingt ziemlich seltsam.«
    »Das habe ich ihm auch gesagt, und

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