Die Haarteppichknüpfer - Roman
mit spitzen Dächern und Mauern aus rot gebranntem Ton, andere wieder waren flach und aus behauenen Steinen errichtet. Er sah sogar ein Haus, das ganz schwarz war und aus der Ferne wirkte wie ausgebrannt.
Niemand beachtete ihn, als er durch das Stadttor ritt. Kinder rannten herum, laut streitend, und ein paar Frauen standen schwatzend an einem Häusereck. Nur ein paar Mal sah er den unverkennbaren Schreck in Augen, deren Blick auf die Insignien an seinen Satteltaschen fiel: die Insignien des kaiserlichen Steuererhebers.
Er kannte sich noch aus. Nicht viel hatte sich verändert seit seinem letzten Besuch, der nun auch schon gute drei Jahre zurücklag. Er fand immer noch den Weg durch die engen Gassen, vorbei an verstaubten, armseligen Werkstätten und dunklen Kaschemmen, an fleckigen Wänden und schimmligen Holzstößen, zum Stadtoberenhaus.
Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen. Ihn würden sie nicht täuschen. Er würde sie schätzen und besteuern, ohne Gnade. Natürlich hatten sie gewusst, dass er kommen würde; sie wussten es immer. Und er war in kaiserlichen Diensten seit Jahrzehnten, er kannte alle Tricks. Sie brauchten nicht zu glauben, ihn täuschen zu können mit diesen armseligen Fassaden. Wenn man genau hinsah, hingen die fetten Schinken in den Kellern und lag feinstes Tuch in den Schränken.
Gottlose Bande! Da hatten sie schon nichts weiter darzubringen aus ihrer jämmerlichen Existenz als ein bisschen Steuern, und selbst darum wollten sie sich noch drücken.
Vor dem Stadtoberenhaus brachte er sein Jibarat zum Stehen und klopfte an eines der Fenster, ohne abzusteigen. Ein Jüngling streckte den Kopf heraus und fragte ihn nach seinem Begehr.
»Ich bin Kremman, kaiserlicher Steuererheber und Richter. Melde mich den Stadtoberen.«
Der Jüngling bekam große Augen, als er das kaiserliche Siegel sah, nickte hastig und verschwand.
Sie versuchten es mit allen Tricks. Da, wo er gerade herkam, in Brepenniki, hatten sie das Hauptbuch verbrannt. Natürlich hatten sie das nicht zugegeben, so was gaben sie nie zu – sie hatten behauptet, es sei ein Brand im Stadtoberenhaus ausgebrochen, der das Buch vernichtet habe. Als ob sie damit um die Steuern herumkommen könnten! Alles, was sie erreicht hatten, war, dass er aufgehalten wurde. Ein neues Hauptbuch musste angelegt, jeder Bürger der Stadt neu geschätzt werden. Es hatte Heulen und Zähneklappern gegeben und die üblichen Tränen, aber er hatte sich nicht beeindrucken lassen und seine Pflicht getan. Er wusste, dass sie in Zukunft besser aufpassen würden. Das machten sie nicht noch einmal mit ihm.
Die Tür des Stadtoberenhauses sprang auf, und ein fetter alter Mann kam herausgestürmt, während er noch in die Ärmel seines reichlich abgeschabten Prunkmantels fuhr. Keuchend kam er vor Kremman zum Stehen, schlüpfte endlich vollends in seinen Mantel und sah dann zu dem Steuererheber auf, feine Schweißperlen auf der Stirn.
»Seid gegrüßt im Namen des Kaisers, Kremman!«, rief er fahrig. »Es ist gut, dass Ihr kommt, sehr gut sogar, denn seit gestern haben wir einen Frevler im Verlies und wissen nicht, was wir mit ihm machen sollen. Aber nun könnt Ihr ja einen richterlichen Urteilsspruch …«
Kremman sah verächtlich auf den Mann herab. »Verschwendet nicht meine Zeit. Wenn es ein Frevler ist, dann hängt ihn auf, wie es das Gesetz befiehlt.«
Der Stadtobere nickte unter heftigem Schnauben so eifrig, dass man glauben mochte, er würde jeden Augenblick umfallen. »Niemals würde ich Euch damit behelligen, Richter, wenn er ein gewöhnlicher Frevler wäre, niemals. Aber er ist kein gewöhnlicher Frevler, er ist sogar ein höchst ungewöhnlicher Frevler, und ich bin der festen Überzeugung …«
Was sie sich alles einfallen ließen! Wenn sie nur ihre Findigkeit auf ihre Arbeit richten würden anstatt darauf, zu versuchen, ihn zu täuschen!
Er stoppte den Redeschwall des anderen mit einer Handbewegung. »Ich will mich zuerst um die Bücher kümmern, denn deswegen bin ich gekommen.«
»Gewiss, selbstverständlich. Verzeiht meine Rücksichtslosigkeit. Ihr müsst erschöpft sein von Eurer Reise. Wollt Ihr die Bücher gleich einsehen, oder darf ich Euch zuerst ein Quartier zuweisen und eine Erfrischung bringen lassen?«
»Zuerst die Bücher«, beharrte Kremman und schwang sich aus dem Sattel.
»Zuerst die Bücher, sehr wohl. Folgt mir.«
Kremman nahm die Tasche mit seinen Arbeitsutensilien und ließ sich von dem alten Mann in die Kellergewölbe des
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