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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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fehlt etwas. Er war eingeschlafen, nicht wahr? Hisham war gegangen, weil er eingeschlafen war, und hatte den Umschlag auf dem Tisch liegenlassen. –Erst dachte ich, ich mach dich kalt. Hisham hatte weiter und weiter geredet, als wäre seine Stimme in Jims Kopf, wie Linien, oder etwas wie eine Schraffur, etwas, das dunkler wurde, dichter. Ich habe geschlafen, dachte Jim. Es ist nichts, wollte er sagen. Inzwischen war die Sonne aufgegangen, das Eichhörnchen war verschwunden. Er ging hinein, nahm unschlüssig den Umschlag vom Tisch. Er würde weggehen. Die Sonne schien ins Zimmer, und er hatte Angst.

    Eine kleine Stufe, nichts weiter, eine kleine Stufe da, wo die Müllcontainer standen, und er stolperte, schlug hin, lag zusammengekrümmt da, das Kinn aufgeschlagen, aus der Nase blutend. Rappelte sich auf, hockte sich hinter die Container, die ihn vollständig verdeckten, wischte sich das Blut aus dem Gesicht, aber es war zuviel, zuviel Blut. Dann erlosch das Licht über der Seitentür, nur aus den Fenstern fielen schmale Streifen über den Hof. Sie würden zu zweit sein, hatte Pete, der Türsteher, gesagt, zwei junge Burschen, und da waren sie, der eine trug einen kleinen Rucksack über der Schulter, sie unterhielten sich unbekümmert, sicher, daß keiner sie stören würde. Die Musik wurde lauter. Ein Drittel von dem Gewinn, hatte er Pete versprochen. Soviel Geld wie möglich. Ein paar kleine Dealer ausräumen und sich dann aus dem Staub machen, erst einmal nach Glasgow, den Rest verkaufen und weitersehen. Er hatte nur ein paar Tage, irgend jemand würde ihn erkennen. –Hast du keine Angst? Pete hatte gegrinst. Die machen dich kalt, oder?
    Albert rief nicht mehr an, vielleicht hatte er das Hisham zu verdanken. Ging nicht ans Telefon, wenn Jim anrief. Kein einziger Auftrag, als existierte Jim nicht mehr. Kein Anruf von Ben. Vorsichtig hob er den Kopf, suchte in der Jacke nach einem Taschentuch, um das Blut abzuwischen. Es war Petes Idee gewesen, vor dem Seiteneingang, im Hof zu warten, er hatte Jim versichert, daß die beiden ihre Deals im hinteren Flur abwickeln würden, und im Club selbst würde Jim sofort auffallen. –Zu alt, mein Lieber, hatte Pete ihm gesagt, du könntest dich vielleicht als amerikanischer Tourist ausgeben, allerdings mußt du dann das Maul halten, und wie soll das gehen? Wenn du den Mund aufmachst, glaubt dir kein Schwanz, egal wie bekifft, daß du Ami bist. Ein Drittel für Pete, falls es sich lohnte, noch einmal hierherzukommen. Broken Night , was für ein beschissener Name für einen Club. Zwei Bands und zwei DJs oder so ähnlich. Ecstasy, und immer ein paar, die Hasch oder Kokain oder Heroin wollten. –Gibt es immer, hatte ihm Pete versichert und grinsend gefragt: Und deine Kröten? Für was hast du sie rausgeschmissen? Für Kokain? Oder gleich immer auf dem Heimweg verloren?
    Er mußte Wasser finden, um sich das Blut abzuwaschen. Hinten war der Chill-out-Room, dort würden auch die Klos sein, gleich am Seiteneingang. Vorsichtig richtete er sich auf, um das T-Shirt nicht zu beschmutzen, aber es hatte aufgehört zu bluten, und er ging auf den Seiteneingang los, in dem die beiden Dealer verschwunden waren. Tatsächlich stand der eine im Flur, nicht älter als achtzehn, musterte Jim genervt, zischelte etwas, als Jim hinter ihm nach der Klotür Ausschau hielt. –Wasser hilft dem seiner Visage auch nicht mehr, hörte Jim, als er die Tür endlich gefunden hatte, er zuckte zusammen, stieß die Tür hinter sich zu und ging zum Waschbecken. Der Spiegel war flekkig, Rost hatte das Metall zerfressen, die nackte Glühbirne an der Wand flackerte. –Scheiße, murmelte er, verdammte Scheiße, er fing an zu weinen. Er sah sofort, daß nichts passiert war, das Blut war nur verschmiert, ein breiter Streifen von der rechten Schläfe bis zum Kinn. Jim drehte den Wasserhahn auf, stand da, ohne sich zu waschen, starrte sein Spiegelbild an. Es war wirklich Mae gewesen auf den Fotos, er hatte sie sofort erkannt, das eine Foto von rechts aufgenommen, im Profil, sie wirkte müde, anders müde, als er es in Erinnerung hatte, ruhig und gleichzeitig traurig, auf eine unwirkliche, fremde Weise, obwohl er sie sofort erkannte, ein bißchen, als wäre das Bild vom Computer gemacht, hatte er gedacht. Sie lächelte nicht, sie stand da, als würde sie ihr Gesicht dem Polizeifotografen hinhalten, als hätte er gesagt, jetzt das zweite Foto von links, im Profil, aber am Ende reichte das alles nicht, und man mußte es mit

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