Die Habenichtse: Roman (German Edition)
anfangen, den Dreck wegräumen, von vorne beginnen, unverzagt, ein guter Mensch werden, ein gutes Leben führen, so wie Hisham, der aussah, als würde er gleich in Tränen ausbrechen vor Kummer, und wahrscheinlich betete er schon zu Allah, daß er Jim retten möge, da der verfickte Christengott sich um anderes zu kümmern hatte, etwa um die Schlachtopfer seines Konkurrenten, die auf ihren Beinstümpfen durch Bagdad oder New York wackelten. So war es gut. Irgendwo gab es eine Heimstatt für die Unglücklichen und Verfolgten, denn die Hand des Herrn wacht über euch. War das nicht so? Er wischte mit der Hand die Gläser aus dem Schrank und zertrat sie, mit nackten Füßen, weil es hell war, weil er etwas in Hishams Gesicht sah, das er nicht begriff und vor dem er Angst hatte, und da war es, was er fürchtete, dieses Fremde, das von ihm Besitz ergriff, ein Engel, der ihm die Flügel um die Schultern legte, der ihm die Augen verschloß, damit er nicht sah, was ihm widerfuhr. Sein Garten, der Garten mit dem Kirschbaum in der Mitte und der Mauer drum herum, wo Mae auf ihn wartete, weil sie leben wollte, weil sie beide auch ein Anrecht hatten auf ihr Leben. Sie lächelte ihm zu, zufrieden, gesund, sie breitete die Arme aus, nur drängte sich immer jemand dazwischen, jemand, der es ihnen nicht gönnte, daß sie lebten, daß sie glücklich waren. Sie hätte ihn nie aus eigenem Antrieb verlassen, und es war richtig, auf sie zu warten, sich nicht in die Irre führen zu lassen, nicht von Albert und nicht von Isabelle, die ihn mit ihren kindischen, tollen Augen aufforderte, sie zu küssen, denn so war es, sie bot sich ihm an, er müßte nur ein Wort sagen, schon hinge sie ihm am Hals. Mae liebte ihn. Es gab etwas Helles, es war nur eine Handbreit von ihm entfernt, er mußte nur danach greifen, bevor es zu spät war, bevor Damian ihn rausschmiß. Mit der linken Hand schwenkte er triumphierend die Pfanne, schnellte herum, denn Hisham war hinter ihm, fahl wie der andere Engel, der ihn nicht beschützte, sondern verriet, der Todesengel. Aber er würde es ihm austreiben, sich einzumischen. Jim fühlte, daß Mae in der Nähe war, nur einen winzigen Schritt entfernt, er versuchte sich zu konzentrieren, nur ein winziger Schritt, bis er bei ihr war, und in seinem Kopf splitterte etwas, während er ausholte, da war es, wie er es mit Mae kannte, hell, aber es zersplitterte, und er würde Hisham töten. Sie sahen sich an. Dann schlug Hisham die Augen nieder, drehte sich um, als wollte er nicht schuld, nicht Zeuge sein. Er bot Jim den Hinterkopf, verharrte, ohne sich zu schützen. Fing leise an zu reden, zu leise, als daß Jim ihn hätte verstehen können. –Scheißkerl, sagte Jim. Jetzt war es weder hell noch dunkel. Nur die Küche, die Scherben, Jims Füße, die bluteten. –Scheißkerl. Einen Moment war es still. Als wäre die Luft mit etwas vermischt, dachte Jim, vollgestopft mit etwas, das einen nicht atmen ließ. –Besser so als anders, sagte Hisham langsam. Schau dir das an. Er zog eine Schublade, eine zweite auf, suchte etwas, fand es nicht. –Mein Gott, sagte er zu Jim, jetzt hol wenigstens Klopapier.
Töricht gehorchte er, verstand nicht, was Hisham wollte, der sich bückte, ihm die Füße vorsichtig abtupfte, seinen Fuß anfaßte. –Das geht so nicht, du mußt dich hinsetzen, am besten aufs Sofa. Seine Stimme hatte jeden Ausdruck verloren. Sie gingen ins Wohnzimmer. Nichts, dachte Jim, war zerstört, am Ende blieb alles heil. Er betrachtete seine blutenden Füße, die Hisham vorsichtig hochhob, auf ein Kissen legte, bevor er sich wieder daranmachte, sie abzutupfen. –Was hast du mit Albert? fragte Jim. –Nichts, sagte Hisham. Geld. Ich brauchte Geld, er wußte, daß ich ein paar Adressen habe. Er hat mich erpreßt. Hisham blickte auf. –Wenn du Geld brauchst für deine Familie, setzte er an, zuckte mit den Achseln. –Ich habe keine Familie, sagte Jim trotzig, zog die Füße weg. Woher hast du meine Adresse?
Hisham warf das blutige Klopapier auf den Tisch. –Was glaubst du? Daß es schwer ist, dich ausfindig zu machen, dich oder deine Freundin zu finden?
–Ich habe dich nicht um Hilfe gebeten. Ich habe dich nicht gebeten, das Kindermädchen zu spielen.
–Halt die Klappe. Hisham stand auf. –Wenn ich gewußt hätte, was dabei rauskommt, hätte ich es bestimmt nicht getan.
Jim ließ sich zurückfallen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf, versuchte, gleichmütig auszusehen. Er hatte Angst. Es gab keine guten
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