Die Habenichtse: Roman (German Edition)
Blumenvase kam er ins Erdgeschoß, ging zum Fenster, schaute hinaus, dann verschwand er. Schließlich tauchte sie doch auf, hatte vielleicht im hinteren Zimmer gesessen, sie trat auch ans Fenster, schob es hinauf und lehnte sich auf die Fensterbank. Hastig duckte Jim sich hinter ein parkendes Auto. Er konnte ihr Gesicht erkennen, glatt und leuchtend. Aber da stolzierte die fette schwarz-weiße Katze von Daves Schwester durch die Stäbe des Gittertörchens, sprang auf die Fensterbank, als wüßte sie sich willkommen, miaute. Doch Isabelle griff sie nur, um sie hinunterstoßen zu können, mit beiden Händen, mit einer wütenden, angewiderten Bewegung, Jim grinste, er gönnte beiden, Katze wie Frau, das Mißvergnügen dieser Begegnung. Die Katze knickte ein, fauchte, lief schnurstracks auf das Auto zu, hinter dem er sich verbarg, ging ihm direkt in die Falle, rannte fast gegen seine Beine, und er packte sie, mit beiden Händen, während Isabelle das Fenster heftig herunterzog, sich wegdrehte, als wäre die Sache mit der Katze endgültig erledigt, doch da war die Katze, in seinen Händen, und er stand auf, hielt sie fest, während sie versuchte, ihn zu kratzen, ging bis zur Ecke der Asham Street und schleuderte sie mit aller Kraft über die Mauer dort. Er hatte aber zu kurz geworfen. Der Kopf schlug auf der Kante auf, und das Tier fiel diesseits der Mauer wie ein Stein zu Boden, blieb dort liegen, im Lichtkreis einer Straßenlampe. Jim drehte sich um, aber Isabelle war nicht mehr da. Wenn sie ihn beobachtet hatte, würde sie es niemals zugeben, dachte Jim zornig. Sie würde niemals zugeben, daß es sie mit Befriedigung erfüllte, wie die Katze dalag, mit gebrochenem Genick. Er kniete sich neben das Tier, betrachtete den dicklichen Leib. Nein, das Genick war in Ordnung, der Schädel war zerschmettert, Blut sickerte heraus. Vorsichtig berührte er das Fell, drehte die Katze zur Seite, um zu sehen, ob sie noch lebte. Er schauderte. Katzen hatten ihren Stolz, sie besaßen eine Seele, vielleicht hatten sie wirklich sieben Leben. Nein, sie lebte nicht mehr. Jetzt tat es ihm leid. Drüben war inzwischen alles dunkel. Aber Isabelle war keinen Deut besser, dachte Jim, sie hatte die Katze von der Fensterbank gestoßen, haßerfüllt, und morgen hatte sie es vergessen, weil es ihr gleichgültig war. Doch er würde sie finden, morgen, er würde sie daran erinnern, er würde sie morgen oder übermorgen abpassen. Sie war nicht besser als er.
31
Obwohl die Rasenflächen sich schon bräunlich verfärbten, war es so mild und angenehm in der Sonne, daß sie sich an den Teich setzten und Tee tranken, –natürlich, sagte Bentham, gibt es hier nur schlechten Kaffee und schlechten Tee; er aß die Hälfte von Jakobs Muffin und sah zufrieden aus. –Das ist natürlich lächerlich, wenn man an eine richtige Tee-Mahlzeit denkt. Wir sind früher gerudert und dann nach Hause gelaufen, wo unsere Haushälterin schon den Tisch gedeckt hatte, es gab Kuchen und Marmelade, Toast natürlich. Sie wollte, daß wir Obst essen. Sie hat damit geprahlt, wie gesund sie sei, daß sie nie krank wurde. Und wirklich hatte sie nie eine Erkältung. Aber dann entwickelte sich eine Geschwulst, und sie wurde wunderlich.
–Ein Tumor? fragte Jakob.
–Nein, nicht im Kopf, aber sie wurde trotzdem seltsam. Wir bemühten uns, möglichst lange darüber hinwegzusehen, bis sie eines Tages anfing, die Sofas und Sessel aufzuschlitzen. Sie sah es selbst am nächsten Morgen und schrieb uns einen Brief, in dem sie bat, daß wir nicht nach ihr suchen sollten. Graham war verzweifelt, und ich auch. Sie hatte Zeichen in einen Schrank geritzt, wir haben lange überlegt, ob wir ihn restaurieren lassen.
Er brach noch ein Stück Muffin ab und warf es einer Ente zu. –Schade, daß es kaum noch Spatzen gibt. Jemand hat mir gesagt, daß Spatz auf hebräisch dror heißt, Freiheit. Anscheinend sind sie ausgewandert. Seit ich ihren Namen kenne, ihren hebräischen Namen, meine ich, sind sie mir noch lieber.
–Und Sie haben sie wirklich nie gesucht, Ihre Haushälterin?
–Nein. Wir haben sie auf Umwegen unterstützt, Graham fand eine Möglichkeit. Wir haben den Schrank gelassen, wie er war. Die Vergangenheit findet immer Gegenstände, an denen sie sich ablesen läßt.
–Stimmt es, daß Sie Bensheim hießen? fragte Jakob.
–Ja, meine Eltern haben den Namen in Bentham anglisiert. Ich bin sogar vor ein paar Jahren nach Deutschland gefahren, um mir das Städtchen anzusehen. Ein hübscher
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