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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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Er würde weitergehen, um die Station rum und zurück, Richtung Kanal, langsam die Brücke überqueren und sich anquatschen lassen, von den Jungs, die dort Drogen verkauften, den ganzen Tag über, während andere ihre Lederklamotten und Schuhe und Tattoos anpriesen, hey, wir sind cool, ihr seid cool, links davon der Gemüsemarkt, die längst leeren, sauber gefegten Stände, zur Straße hin Müllhaufen, eine alte Frau wühlte darin, zog etwas heraus, er konnte nicht sehen, was es war, aber etwas Saures, Brennendes stieg ihm in den Mund, und er spuckte aus. Es half nichts, er mußte Albert anrufen. Früher oder später. Dreißig Pfund noch. London war groß, aber nicht groß genug, was das Drogengeschäft anging, es gab zu viele Typen, die Jim kannten und nichts anderes zu tun hatten, als den ganzen Tag zu quatschen. Die nur allzu gerne die Gelegenheit nutzen würden, sich bei Albert lieb Kind zu machen. Und dann war da Mae. Ohne Albert würde er sie nie wiederfinden. Leute verschwanden, manchmal tauchten sie wieder auf, manchmal nicht. Zwei Mädchen kamen ihm entgegen, kicherten, die Dickere trug einen engen Rock, ihre plumpen Beine waren nackt. Wieder spuckte Jim aus, aber der bittere Geschmack blieb, und im Hals ein Klumpen, sosehr er sich auch räusperte. Am Haß stirbt man, hatte Mae gesagt, und sie war verschwunden.

11
    Zwei Wochen vor dem Umzug sollte das neue Bett geliefert werden, Jakob bat Isabelle, in der Wohnung zu sein, da er einen Termin hatte, doch dann vertröstete er seinen Mandanten, Herrn Strauss, auf den späteren Abend und bat Julia, einen Tisch im Borchardt zu reservieren. Er feilte noch einmal an der Rückgabevereinbarung, die Strauss das Wohnhaus Prenzlauer Allee 178 sichern sollte, er sah das Haus, die schäbige Fassade, eine letzte Antragsschrift an das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen war zu formulieren, bald würde alles abgeschlossen sein und ein weiteres Haus eingerüstet, renoviert werden, die Verträge mit dem Netto-Markt, der im Erdgeschoß vor zwei Jahren eine Filiale eröffnet hatte, mußten überprüft werden, alles war glattgegangen. Es gab nichts mehr zu besprechen, und Strauss war letztlich froh, daß sich die Verabredung auf den Abend verschob, so würde er den Abend nicht alleine verbringen müssen. Wieder fragte Jakob sich, warum der 76jährige, kinderlos und wohlhabend, weder Mühe noch Kosten gescheut hatte, den früheren Besitz seiner Mutter wiederzuerlangen. Es war zu spät. Aber Strauss, selbst wenn er darüber nachgedacht hatte, würde über die Herausforderungen sprechen, die man gerade im Alter brauche, von der Entwicklung, die der Prenzlauer Berg genommen, und daß ein Verlag an dem gesamten Gebäude mit seinem riesigen Innenhof Interesse angemeldet habe; und dann würde er verstummen. Jakob hatte sich an den Blick seiner Mandanten am Ende vieler Fälle gewöhnt, eine beklommene Stille, vergeblicher Aufbruch, Verlassenheit. Draußen mochte es Triumph sein, Stolz sogar, als wäre fraglos eine Leistung nun erbracht, als hätte der Mandant selbst, nicht sein Anwalt, den Besitz erstritten, doch oft genug klammerten sich Mandanten an Jakob, riefen an, nur um die beruhigende Stimme eines erfahrenen Arztes zu hören, der von ihren Schmerzen wußte.
    Isabelle hatte er nicht gesagt, daß er doch in der Wartburgstraße sein könnte, er wollte sie überraschen, eilte um fünf Uhr die Treppen hinunter und an Schreiber, der ihm schweigend Platz machte, vorbei und hielt ein Taxi an. Um zwanzig nach fünf war er in der Wartburgstraße. Vergeblich suchte er den Hausschlüssel, hatte ihn offenbar vergessen, und keiner öffnete, als er klingelte, die Fenster – von der gegenüberliegenden Straßenseite deutlich zu sehen – waren geschlossen.
    Am Vorabend hatte Isabelle quer in seinem Bett gelegen und ihm mit ungeduldiger Handbewegung bedeutet, er solle ruhig sein, sie hatte ihren ausgestreckten Körper hochschnellen lassen, mit einer Muskelanspannung, die ihn wunderte, es sah aus, als stieße sie sich durch schiere Willenskraft von der Matratze ab. Dann hatte sie den Reißverschluß ihrer Jeans geöffnet, den Knopf danach und die Hose, mit einer Bewegung ihrer Hüften, abgestreift. Er stand zwischen Wohn- und Schlafzimmer, aus dem Wohnzimmer fielen Lichtstreifen bis über das Bett, für ihre Augen war er nichts als eine dunkle Umrandung. Ihre Schenkel sahen im Halblicht muskulöser aus, als sie waren. Er wurde steif. Sein Glied schmerzte, er wollte die Hand in die

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