Die Habenichtse: Roman (German Edition)
dem bißchen Training, Hanteln, Liegestützen, was er tagsüber so trieb, aus Langeweile, in dieser Wohnung, die viel besser war als alles, was er vorher gehabt hatte. Schieres Glück, daß er Damian getroffen hatte, der irgendwie verrutscht aussah und auf eine verrückte Weise begeistert, völlig durchgedreht, hatte Jim gleich gedacht und nicht herausgefunden, woran das lag. Schien ein bißchen Angst vor ihm gehabt zu haben, obwohl er Jim nichts schuldete, nur ein paar Gramm Kokain, die er nicht bezahlt hatte, und vielleicht war es das, vielleicht war das der Grund, daß er Jim den Wohnungsschlüssel mir nichts, dir nichts in die Hand gedrückt hatte. Durchgeknallt, als hätte er einen gigantischen Plan oder wüßte etwas, das kein anderer wußte. Jim hatte ihn im ersten Moment nicht erkannt, früher war Damian posh gewesen, mit schicken Lederjacken und einem Auto, das seine Eltern ihm gekauft hatten, ein Auto und diese Wohnung, die er Jim anbot, geradezu aufdrängte, er würde sie eh die nächste Zeit nicht brauchen, ein paar Monate oder sogar länger, und die Rechnungen wurden noch immer vom Konto seiner Eltern abgebucht, die auf dem Kontinent lebten, sich um nichts kümmerten. Behauptete Damian, und anscheinend war das die Wahrheit, denn nie hatte jemand etwas von Jim gewollt, in all den Monaten nicht, die er jetzt schon in der Lady Margaret Road war, tagaus, tagein, da er kaum noch rausging, nur dann, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ oder wenn er unruhig wurde. Es war ein Treffer, genau im richtigen Moment, als Mae verschwunden war und er Albert und Ben endgültig satt gehabt hatte. Wahrscheinlich war etwas nicht in Ordnung, mit der Wohnung, mit Damians Gerede von der absoluten Klarheit, die sich mit Händen greifen lasse, so viel stärker als alles andere, daß er keine Drogen mehr brauche, seither nicht mehr, nur Mut und Entschlossenheit, wenn Jim verstehe, was er meine, und Jim verstand kein Wort. Er hatte nur zugehört, weil ihn die Sache mit der Helligkeit interessierte, ein gleißendes, weißes Licht, sagte Damian, in dem Sachen verborgen waren wie im undurchdringlichsten Dunkel, unerkennbar, und vielleicht, dachte Jim, war Mae dort, wartete auf ihn, gab ihm Zeichen. Viel mehr war aus Damian nicht herauszuholen gewesen, außer natürlich der Schlüssel, und diese Begeisterung, als er Jim sogar umarmte, sein Gesicht an Jims Gesicht pressen wollte. Aber die Wohnung war genau das richtige. Ein paar hohe Stufen führten zur garden flat hinunter, ein oder zwei Meter vom Eingang der anderen entfernt, so daß Jim seinen eigenen Eingang hatte, den er mit niemandem teilen mußte.
Er überquerte die Straße, ein Motorrad heulte an ihm vorbei, und da war schon der Kanal, der nette, vertraute Kanal mit der Schleuse. Ein paar Meter weiter lag Sainsbury’s , der Eingang hinter dem Parkplatz, Betonpfeiler davor, so daß man weder die Einkaufswagen noch die fetten Mütter mit ihren Tüten und den erschöpften Gesichtern aus ihrem Schlaraffenland kommen sah. Er hatte nur noch dreißig Pfund und etwas Kleingeld. Vor der Bushaltestelle lag ein Besoffener, den Hut in der Hand, blutete aus der Nase, Jim kickte ihn vorsichtig mit dem Fuß, hätte Lust gehabt, zuzutreten, aber die anderen wurden schon aufmerksam, bückten sich nicht, klar doch, bückten sich nicht, um den Alten auf die Seite zu drehen, zu gucken, ob er auch nicht erstickte, an seinem Blut, seiner Kotze, es stank, ihn aber musterten sie argwöhnisch, weil er ein verflecktes T-Shirt trug, mit seiner Fresse darüber, unrasiert, aber irgendwie hübsch, sagte Mae, sagten alle. Jim hob den Kopf. Klar, ein hübscher Bengel, vor zehn, fünfzehn Jahren, und immer noch, er grinste die Frau mit den langen Beinen an, gute, lange Beine in Stiefelchen, mit flachen Absätzen, der Rock hörte unterm Po auf, da druntergreifen, er grinste sie an, versuchte zu lächeln, aber sie drehte sich bloß um, nicht einmal angeekelt, drehte sich einfach weg, und schon war er ausgeblendet, ausgelöscht. Er hätte doch gleich an der Schleuse runtergehen sollen zum Wasser, aber in letzter Zeit legte er Wert darauf, weiter der Straße zu folgen, bis zu Camden Town Station, aus der sich am Wochenende mit dem stickigen Luftstrom gackernde Teenager schoben. Auf der anderen Straßenseite schob ein Rausschmeißer gerade die letzten Kunden aus The World’s End , eigentlich war es zu früh, der zweite Tresen, in dem ungemütlichen, zugigen Teil war noch in Betrieb, aber Jim ging nicht hinein.
Weitere Kostenlose Bücher