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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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wenig lächerlich. Das Licht der Straßenlampen mischte sich mit dem weichenden Tageslicht, laut zwitscherte eine Amsel, Isabelle entdeckte den schwarzen, rundlichen Körper in einem dürren Bäumchen, und da war eine zweite, auf einem der Simse hockte sie trillernd, aufgeplustert, als gälte es einen Wettkampf zu gewinnen. Von hier würde sie den Möbelwagen sehen. Plötzlich scheute sich Isabelle, alleine in die Wohnung hinaufzusteigen, sie tastete in ihrer Jakkentasche nach dem Schlüssel, tastete ein kleines Loch im Futter. Leer lag die Straße, nur ein Fenster klapperte, ein Auto glitt aus einer Parklücke, verschwand, und ganz am anderen Ende, vor der nächsten Straßenecke, stand im Nieselregen ein Mann und hob den Kopf. Andras, dachte sie, wie er sich von ihr verabschiedet hatte im Büro, –so, du gehst schon, und er hatte ihr zugelächelt, ein galantes, trauriges Lächeln. Doch es war Jakob, sein rotblondes Haar glänzte, als er sie ansah und erkannte.
    Später lagen sie auf den Matratzen, bedeckten sich mit den Kleidern, die sie hastig ausgezogen hatten, fröstelten, bis Jakob aufsprang und auf die Uhr sah und sie küßte, sich hastig anzog, davonlief, an der Tür noch einmal umkehrte, einen letzten Blick auf sie warf, glatt und sehr jung und klein schien sie ihm.
    Er fand gleich ein Taxi, feuerte den Fahrer an, zu der Verabredung würde er zu spät kommen, das Taxi überfuhr gelbe Ampeln, und der Regen war stärker geworden.

12
    Er sah Ben den Hügel herunterlaufen, in einem grünblau karierten Hemd, wie ein dickes Kind, dachte Jim, das mit den Armen schlägt und rudert, rufend, eine kleine Szene, die perfekt ausstaffiert war, Sommertag, warm, ein leichter Wind in den Baumkronen, und auf dem Rasen Picknickkörbe, wie früher. Aber es war Ben, nicht irgendein Kind, er war wirklich dick geworden und rannte, rannte plötzlich, als wären sie hinter ihm her. Jetzt war er unter einem Drachen, der trudelte und zum Absturz ansetzte wie zu einem Sprung, der Junge mit der Schnur rannte hügelaufwärts, wo drei mächtige Eichen einen Halbkreis bildeten, mit weitgestreckten, stämmigen Ästen. –Worüber regst du dich auf? hatte Albert gesagt, bloß weil er ihr nachgelaufen ist, weil er ihr Tabletten gebracht hat. Bloß nachgelaufen, nichts weiter, nur Tabletten gebracht, seiner Freundin Mae, die blutend auf dem Boden gelegen hatte, und – stänkere hier nicht rum, hatte Albert gesagt, Ben hat den Krankenwagen gerufen, was hätte er sonst tun sollen? Und wer hat sie verprügelt, du oder Ben? Worauf Jim nichts sagen konnte, denn sie hatte blutend auf dem Boden gelegen, vor dem Sofa, das Telefon noch in der Hand, und Jim erinnerte sich genau, daß er in der Küche gewesen war, ein Bier getrunken hatte. Das war alles.
    Jetzt erreichte Ben den Weg, schaute sich nervös um, der Drachen hatte sich in den Zweigen der mittleren Eiche verfangen. Als lauerte ihm jemand auf, dachte Jim und grinste, –Fettsack, murmelte er vor sich hin, wirst schon sehen. Ein leichter Wind ging, die Wege waren von dicken Wurzeln durchzogen, und Hecken voller Rosen, dachte Jim, voller Gesumm und Gezwitscher, wie der Garten, weit weg von London, mit einer Mauer, mit Heckenrosen und Amseln darin, und staubigen Sommerwegen dahinter. Er mochte Amseln, und Mae hatte sie gemocht, sie hatten darüber gesprochen, von einem Haus und einem Garten, weil es solche Gedanken gab, und Hügel und Heckenrosen auch. Wenn er die Augen schloß, konnte er den Garten vor sich sehen. Aber dann rief Ben den Krankenwagen, und Mae war verschwunden. –Untergetaucht, ausgestiegen, höhnte Albert, siehst ja, wie sie an dich denkt, kein Anruf, keinerlei Nachricht, und Ben wußte nicht, in welches Krankenhaus sie gebracht worden war, behauptete er. Bald fünf Monate her, daß sie verschwunden war, und Jim wartete, drehte den Kopf da- und dorthin, suchte noch immer, wartete jeden Augenblick auf ihr Kommen, auf ihre Stimme.
    Hier war Ben, schwitzend, sah Jim mißmutig an, und Jim fühlte die Müdigkeit, die ihn immer noch überfiel, nach fünf Monaten, als wäre all das Warten der letzte Fetzen ihres Lebens, Mae war so müde, dachte er, vielleicht ist sie jetzt glücklich. Er verzog das Gesicht, als Ben etwas stammelte, noch immer schwitzend, hörte ihm nicht zu, streckte bloß die Hand aus, rücksichtslos, mitten auf dem Weg, fordernd. Dann liefen sie doch Richtung Lady’s Pond, bis zu dem Schild, das ihnen weiterzugehen verbot, standen im tiefen Schatten und sahen die

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