Die Habenichtse: Roman (German Edition)
helfen und Jakobs Einzug zu feiern. –Nicht schlecht, anerkennend schaute Alistair sich um. Auf der Straße stand schon die Biedermeierkommode seiner Großmutter, eine Schublade war aufgegangen, überquellend von alten Fotos, die Tante Fini nicht ausgeräumt hatte. Ein Schrank kippte fast zur Seite, hatte bereits einen Kratzer. Alistair diskutierte mit einem Polizisten, der sich aus dem Fenster seines Autos beugte. Das Mädchen war verschwunden. –Erst die Möbel! rief Jakob nervös, als die anderen auf den Hauseingang zumarschierten, alle sechs Männer, Alistair an der Spitze, einen der Spediteure untergehakt, lachend.
Sie hatten sich über die Stockwerke verteilt, Ratschläge gegeben, der helle Teppich zeigte die ersten Spuren von Nässe, ein Fleck breitete sich aus, wo Anthony seinen Regenschirm abgestellt hatte. In Isabelles Arbeitszimmer stand die Kommode, ein Sekretär und ein runder Tisch als Zeichentisch. Im Zimmer daneben ein Sofa, zwei kleine Sessel, die Polster schwarz-weiß gestreift, ein weiteres Tischchen. Ins erste Stockwerk kam der große Eßtisch mit sechs Stühlen und ein Bücherschrank mit verglasten Türen, ein Geschirrschrank. In den zweiten Stock wurde das Ehebett getragen und der Schrank mit dem Kratzer. –Wow, sagte Paul, und so wollt ihr wohnen? Er hielt einen quadratischen Spiegel in einem schmalen, schwarzen Rahmen, stellte ihn vorsichtig im Flur ab.
Schließlich standen alle Möbel an ihrem Platz, auch das Geschirr hatte er eingeräumt, die Waschmaschine war angeschlossen, er aß, wie zur Probe, im Eßzimmer, mit einem Glas vor sich, einer Flasche Wein, einem Schälchen Reiscracker. Sie zerkrachten zwischen seinen Zähnen, sonst war es still. Nachts war er manchmal so unruhig, daß er aufstehen mußte, ans Fenster treten, die nasse Februarluft tief ein- und ausatmen. Katzen überquerten die Straße, einmal trabte über den Bürgersteig ein weißer Fuchs, sprang auf eine Mauer, verschwand. Am Abend vor Isabelles Ankunft sah Jakob das kleine Mädchen mit der roten Mütze neben einem Halbwüchsigen in der Kentish Town Road, eine Tüte Pommes in der Hand. Als er in die Lady Margaret Road einbog, wäre er fast mit jemandem zusammengestoßen, dessen heller Anorak so plötzlich auftauchte wie ein Blitzlicht, Jakob schloß die Augen, der Mann zischte etwas, so haßerfüllt, daß Jakob erschrak. Die Platanen waren noch immer kahl, aber die Kirschbäume und Tulpen blühten schon. –Morgen also kommt Ihre junge Frau, hatte Maude gesagt, er fand den Ausdruck übertrieben und ein bißchen kitschig, und er dachte, daß er fast ebenso ungeduldig auf Benthams wie auf Isabelles Ankunft wartete.
–Sie fährt morgen zu ihrem Mann nach London, hatte die Sekretärin Sonja mittags einem Kunden telefonisch Auskunft gegeben. Aber es ist die richtige Entscheidung, dachte Isabelle. Sie würde, wenn sie in ein paar Wochen nach Berlin zu Besuch kam, alles vorfinden, wie sie es verlassen hatte, das Büro ebenso wie die Wohnung, kein Grund, sich zu sorgen, auch wenn aus heiterem Himmel ihre Mutter noch einmal anrief, ob es nicht gefährlich sei in London, da der Krieg mit dem Irak jederzeit ausbrechen konnte, und Andras, unfreiwillig Zeuge des Gesprächs, verzog angewidert das Gesicht, als er Isabelles beschwichtigende Sätze hörte. –Mein Gott, du fährst ja nicht nach Bagdad. Sie packte den Laptop ein, Peter hatte ihr die Londoner Einwahlnummer herausgesucht, er feilte noch an der Website, –sieht nach nix aus, murmelte er, und Isabelle versprach, ein Foto ihres Arbeitszimmers zu schicken, sobald sie angekommen war. –Es steht voller Biedermeiermöbel, Andras grinste. Bevor man abreiste, kam es immer zu kleinen Gemeinheiten. –Wir werden immer weniger, sagte Peter. Sonja sah ihn an, verzog das Gesicht und beugte sich wieder über ihre Zeitung. Krieg kaum noch abzuwenden, war der Artikel überschrieben. Aufmarsch der Soldaten. Panzer, Waffengeschäfte, verstärkte Sicherheitskontrollen, Warnstufe Orange in Washington. Isabelle räumte ihre Schreibtischschubladen leer, fand ein Foto von Hanna, schwarzweiß, ihr Gesicht schon abgezehrt, wie die Ansicht einer Ortschaft, fuhr es Isabelle durch den Kopf, die Kanten der Häuser unrealistisch scharf abgehoben gegen einen dunkleren Hintergrund. Dann die Fotos, die Alexa von ihr gemacht hatte, sie hatte den Karton nach dem Umzug in die Wartburgstraße ins Büro mitgenommen. Isabelle lehnte sich zur Seite, damit Andras, der sie aufmerksam beobachtete, die Bilder
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