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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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erleichtert, als sie die Vororte erreichten, Häuser, die den Blick nach draußen rechtfertigten, dann, in Golders Green, Läden und orthodoxe Juden mit schwarzen Hüten, Jakob zeigte auf ein kleines Mädchen, das einen riesigen Kinderwagen vor sich herschob, und schließlich weiter nach Süden, die Hügel von Hampstead Heath.
    Er händigte, das Taxi war schon abgefahren, Isabelle die Schlüssel aus und trug die Koffer an die Tür. Das Schloß erwies sich als widerspenstig, Isabelle stocherte unlustig, zog heraus und schob hinein, preßte sich gegen den Türrahmen, drehte sich nach Jakob um. Sie hatte ihn vermißt, wußte sie plötzlich, er stand da und lächelte, bemerkte nicht einmal, wie lange sie an der Tür hantierte, strich sich durch das rotblonde Haar, das zerzaust war. Er hatte ihr gefehlt, es war etwas kaum Sichtbares und Neues, das sie empfand, und irgendwann, dachte sie, irgendwann würde sie wissen, was es bedeutete. Dann endlich glitt der Schlüssel an die genau richtige Stelle, und sie trat ein, die Tür für Jakob aufhaltend. –Wo ist mein Zimmer? Jakob stand, lächelnd, noch immer im Eingang, sah sie erwartungsvoll an.
    Aber sie streckte nicht die Hand aus, zog ihn nicht an sich, suchte nicht das Bett, das irgendwo stehen mußte, ihr Ehebett. Ja, Andras war traurig gewesen; einen Moment spürte sie es so deutlich, als sei es ihre eigene Empfindung. Dann ein Riß. Entfernt.
    Sie öffnete die Tür rechts, warf in ihr Arbeitszimmer einen Blick, lächelte, Blumen auf dem Tisch, das Ganze, dachte sie, wie man sich eine Pension wünscht, altmodisch, anheimelnd.
    –Dein Reich, Jakob sagte es abwartend, distanziert. Oben Wohn- und Eßzimmer, die Küche. Wie eine telefonische Meldung, wiederholt. Deine Koffer trage ich gleich hinauf. Er war erleichtert, daß vor der Tür – Isabelle schaute aus dem Fenster – das kleine Mädchen nicht auftauchte, ein Bucklicht Männlein, unheimlich.
    –Was sind das für Bäume?
    –Platanen.
    Noch kahl, fleckig die Stämme, die Zweige gestutzt. Ein Auto fuhr wie seitenverkehrt.
    –Als führen sie ohne Fahrer, rief sie, gehen wir dann noch raus?
    –Durch den Park, und wenn du willst, bis zur Themse.
    –Ist das nicht zu weit?
    –Nein, aber ein Stück können wir mit der U-Bahn fahren. Wir brauchen noch ein Paßfoto von dir, für den Ausweis, eine Monatskarte, damit du fahren kannst, soviel du willst.
    Isabelle packte ihren Computer aus, lauschte nebenher auf ein Geräusch, das nicht von oben, sondern von seitwärts kam, anscheinend hörte man die Nachbarn, ihre Stimmen, etwas, das aufprallte, verrückt wurde, ein Möbelstück, oder war das doch Jakob?
    Sie lief hinauf. Genug Schränke, für weitere Kleider reichlich Platz. –Setz dich aufs Bett, sagte sie, bis ich ausgepackt habe, und erzähle mir, wie es dir geht.
    Da saß er. Während sie geschäftig in den Schränken räumte, seine Hemden übereinander und nach hell und dunkel sortierte, nach alltäglich und fürs Ausgehen, Hemden, zu denen er vielleicht Manschettenknöpfe hatte, vielleicht auch nicht, und obwohl eine Tür des Wandschranks aus der Schiene sprang, beinahe auf Isabelle, dann auf Jakob gestürzt wäre – er sprang auf und ließ sie zurück in die Schiene gleiten –, bewegte sie sich heiter und geübt, dorthin die Gürtel, hier eine Schublade für Socken und Wäsche. Er saß wieder auf dem Bett. Ein durchs Fenster gleitender Lichtstrahl überquerte ihr Gesicht. Ihr Haar trug sie zurückgebunden mit einem schwarzen Gummi. Sie beugte sich zum Koffer, richtete sich auf, streckte sich. Inzwischen hatte er die Kanzlei (nicht sein Zimmer) und Maude beschrieben, den ersten Abend im Pub, den Platz unweit der Kanzlei, die Tauben dort und die Alte, die morgens die Tauben fütterte, aus Plastiktüten altes Brot holte, zerbröselte, Passanten beschimpfte. Die ersten Knospen, und wie der Regent’s Park sich belebte. Noch ein paar Wochen, dann müßten sie nach Kew Gardens hinaus, wenn die Rhododendren blühten, und daß durch den Park die Themse fließe. Er betrachtete Isabelle, in ihren engen Jeans, dem blauen Pullover, ihr Po bewegte sich (bücken, aufrichten, ein Schritt rechts, einer links, präzise wie ein Spielwerk), er wollte danach greifen oder ihr sagen, sie möge einen Augenblick stillhalten. Schließlich verschwand sie im Bad, räumte in das Regal zwischen Waschbecken und Spiegel Creme und Deodorant und Zahncreme, stellte auf den Rand der Badewanne Shampoo, suchte für ihre Utensilien einen Platz.

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