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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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er beobachtete, wie Albert und Ben sich über die Tischplatte beugten, das Pulver in die Nase sogen, ihm aufmunternd zunickten. Im Hintergrund sah er schwach die Umrißlinien von Maes Nacken, ebenfalls vornübergebeugt. Er haßte es, wenn sie schnupfte oder Tabletten nahm, er haßte ihren Gesichtsausdruck und ihr albernes Gekicher, mit dem sie sich an ihn zu schmiegen versuchte, ihre Hand in seiner Hose. Sie hatten ihn damit aufgezogen, daß er sie verprügelt hatte. Hatten ihn Alices wegen aufgezogen. Er näherte sich ihnen, trat auf Ben zu. –Findest du nicht, daß du danke schön sagen solltest? fragte Ben. Albert griff ein: –Jetzt laß ihn sich doch endlich hinsetzen. Schob Jim einen Stuhl hin, verschwand, kam mit drei Bierdosen zurück. Irgend jemand mußte im hinteren Zimmer sein, hinter Jim die Treppe heraufgekommen, die Atemzüge, er hatte es sich nicht eingebildet, ein Schlag auf den Kopf, im Treppenhaus, während Albert ihn angrinste. Ihm war jetzt übel. Vor dreizehn Jahren war er das erste Mal von seinen Eltern weggelaufen, mit dreizehn Jahren, und dann, drei Jahre später hatte er es bis London geschafft, am 3. Juli, hatte den Tag jedes Jahr gefeiert, bis er Mae traf, seither den Tag, an dem er Mae zum ersten Mal gesehen hatte, im August, das Datum verriet er nicht einmal Mae, die sich nicht erinnerte. Er fühlte sich wie eine Attrappe, unbeweglich und hohl. Auf dem Fußboden, nacktem Estrich, trocknete sein Blut. Albert folgte seinem Blick, holte mit der Bierdose aus und kippte eine dünne Pfütze darüber aus. Sie würden es wegwaschen oder eintrocknen lassen, ihm war es gleich. –Du kannst nicht einfach aussteigen, das muß dir klar sein. Auf eigene Rechnung dein Ding drehen. Alberts Stimme klang jetzt sachlich. –Dafür helfen wir dir, nach Mae zu suchen, ohne daß die Polizei dir auf die Pelle rückt.
    –Ich habe Mae nichts getan, Jim antwortete lahm, der Schmerz im linken Arm wurde wieder stärker. Albert machte eine beschwichtigende Handbewegung. –Für wie blöd hältst du uns eigentlich? Vergiß nicht, daß Ben sie gesehen hat.
    Jim starrte Albert ratlos an.
    –Und wie du Alice verprügelt hast, hast du das auch vergessen? Das war Ben, schnaufend, empört.
    –Alice hat mir dreihundert Pfund gestohlen! Jim wurde rot. Er hatte sie liegenlassen, sie hatte in der Arlington Road ein Zimmer gehabt, ein Kellerzimmer, Albert hatte dafür gesorgt, daß sie keinen Ärger machte, und ihn gezwungen, mit Ben das Zimmer auszuräumen, hatte vermutet, ein paar Gramm Kokain wären dort versteckt. Vor fünf Jahren, vielleicht vor sechs. Und er erinnerte sich nicht. Wie sie sich auf ihn gestürzt hatte, als er ihr eine Ohrfeige geben wollte, und dann nichts. Er wollte aufspringen, sich auf Albert stürzen. Aber bis er aus dem Stuhl hochkam, war Ben schon bei ihm, die Tür ging auf, und ein dunkelhaariger arabisch aussehender Mann erschien, ein Messer in der Hand, das schmale Gesicht unbewegt. Jim versetzte Ben einen Hieb und setzte sich wieder. –Und jetzt habt ihr einen Mufti zur Verstärkung, oder wie? Er starrte den Mann an, sein regelmäßiges, hübsches Gesicht, die bräunliche Haut, das gekränkte oder amüsierte Aufblitzen in den dunklen Augen.
    –Wegen solcher Deppen wie dir, sagte Albert ruhig. Das ist Hisham. Kann sein, daß er ein Mufti ist, aber Englisch spricht er besser als du.
    –Sag ihm, er soll mir ein Bier bringen.
    Ben stand leichenblaß da, die Lippe aufgeplatzt. –Ich kann es bezeugen, du hast sie beinahe umgebracht. Sie wäre verblutet ohne mich.
    Jim schüttelte stumpf den Kopf. Er erinnerte sich nur noch an die Umrisse, Mae auf dem Sofa, mit dem Telefon in der Hand, nicht mehr als Nasenbluten oder eine Platzwunde, und dann war er wieder in die Küche gegangen. Hatte er ein Messer in der Hand gehabt? War in der Küche geblieben, bis Ben zur Tür reinkam. Er versuchte sich zu erinnern, schüttelte den Kopf, stand auf. Von draußen hörte man Regen, er dachte an die Katze unten, schaute zu Albert. –Ok, jetzt sag mir, was du willst.
    Albert warf Ben einen zufriedenen Blick zu. –Erst einmal das Geld, das du mir schuldest, sagte Albert, und dann geben wir dir wieder eine Kleinigkeit mit, was meinst du?

    Er schlief unruhig. Einmal wachte er auf, weil er fühlte, daß sein Herz zu langsam schlug. Er stand auf, holte eine Wolldecke aus dem Wandschrank, sie roch muffig, ein bißchen nach Hund. Menschen- oder Hundehaar, seine Finger suchten, fanden kurze Haare. Der Geruch war

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