Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
Vom Netzwerk:
ins Pub, rief Alistair ihm am Abend zu, wartete im Treppenhaus, mit dem linken Fuß über eine sich ausdünnende Stelle des Teppichs tastend, in Gedanken schon mit etwas anderem beschäftigt. Bentham würde erst Ende der Woche in die Kanzlei zurückkehren, erfuhr Jakob schließlich, es schien nichts ungewöhnlich daran zu sein. Vor dem Pub warteten schon zwei seiner künftigen Kollegen. Paul und Anthony, sie schoben ihn durch die Tür, tranken auf sein Wohl, wechselten bald von Bier zu Whisky, stopften achtlos ihre Krawatten in die Jackentaschen, von dem verdreckten roten Teppich des Pubs stieg säuerlicher Geruch auf, um elf Uhr standen sie im Nieselregen auf der Straße, ein Mädchen gesellte sich dazu, sie küßte Paul lange auf den Mund. Jakob war betrunken. Alistair und Anthony entfernten sich, sie flüsterten, Paul holte sein Motorrad, hupte. Der Mond kroch hinter den Dächern hervor, Jakob bildete sich ein, das Meer zu riechen, und wieder war das Mädchen da, küßte Paul, hüpfte dann auf Jakob zu, er saß inzwischen auf dem Bordstein, sah Autos ohne Fahrer vorbeifahren, sie trug einen kurzen Pelzmantel, einen Minirock, ihr blondes Haar fiel Jakob ins Gesicht, sie lachten alle drei, beugten sich über ihn. –He, alles klar? Da war wieder Paul mit seinem Motorrad. Stöhnend drehte Jakob sich zur Seite. Das Mädchen zuckte, als Jakob die Hand jäh hob, –alles cool, rief Alistair ihm zu, zog ihn hoch und schob ihn in ein Taxi.
    Am dritten Tag klopfte Annie und brachte ihm einen Wasserkessel und eine Teekanne. Er müsse, sagte Maude, die hinter ihr hereinkam, nur sagen, was er benötige, eine Schreibtischlampe, einen weiteren Sessel statt der verrückten Truhe, eine Wolldecke. Die Heizung gab ihr Bestes, aus einem Ventil strömte mittags pfeifend etwas Dampf, eine halbe Stunde, dann war es wieder still. Durch die Decke hörte Jakob manchmal Musik aus Alistairs Zimmer, Bach oder John Zorn, erklärte Alistair. Der erste Mandant meldete sich, ein Mister Miller, unzufrieden mit dem Anwalt, der bisher für seinen Rückübertragungsanspruch eines Hauses in Treptow zuständig gewesen war. Wenn Jakob mittags spazierenging, verlief er sich in den kleinen Straßen zwischen der Devonshire Street und der Wigmore Street. Ein zweiter Mandant, ein Gabelstaplerproduzent aus Hamm, interessierte sich für den Kauf einer britischen Eisenbahngesellschaft und bat ihn um ein Treffen in der Liverpool Street Station, sie saßen in einem schlecht beleuchteten Cafe´ im Untergeschoß des Bahnhofs, und Jakob blätterte verzweifelt in einem Stapel Unterlagen, den Mister Krapohl für ihn ausgedruckt hatte, darunter mehrere Aufsätze über die Geschichte der englischen Eisenbahn. Das Wetter blieb scheußlich, meist war Jakob als erster im Büro, er liebte sein Zimmer, auch wenn er fror, und die Wohnung in der Lady Margaret Road war noch leer und unwirtlich. Am Wochenende erwartete er die Möbel.
    Der Laster traf nachmittags ein, er versperrte die ganze Straße, weil im letzten Moment der Fahrer auf die rechte Fahrbahn gezogen hatte, ein entgegenkommendes Auto konnte gerade noch bremsen. Der Autofahrer schien unter Schock zu stehen. Es war ein älterer Mann, der mühsam ausstieg, sich mit beiden Händen fest an die Autotür klammerte und zu dem Lastwagen mit dem deutschen Nummerschild herüberstarrte, in dessen Fahrerkabine sich nichts rührte. Jakob stand unterdessen im Erdgeschoß, rüttelte an den Fenstern, weil er vergessen hatte, wie man die Schiebefenster entsicherte, rannte schließlich in Strümpfen auf die Straße und stürzte auf den Mann zu, dessen dünne weiße Haare sich im leichten Wind aufrichteten, die pergamentene Haut rötete sich an den Backen, doch als Jakob zu einer Entschuldigung ansetzte, schüttelte er würdevoll den Kopf, verschwand im Inneren seines Austin und ließ den Motor an. Wütend und beschämt drehte Jakob sich um, der Fahrer manövrierte, zum Glück war die Straße jetzt leer, nur ein kleines Mädchen tauchte plötzlich auf, wollte schon los- und vor den Laster rennen, Jakob packte es am Arm, ein blasses Ding mit einer roten Mütze und großen, grauen Augen, das ängstlich zurückwich und Jakob konzentriert anschaute, um zu verstehen, was von ihm erwartet wurde, und sich dann duckte, als fürchtete es, bestraft zu werden. Die Packer kletterten aus der Kabine, riefen ihm durcheinander Kommentare und Rechtfertigungen zu, das Mädchen riß sich los, und da kamen, winkend, Alistair und Paul und Anthony, um zu

Weitere Kostenlose Bücher