Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
Vom Netzwerk:
deutlich bewegte, hörte man nichts, und in der Angst war etwas Jähes, Aufpeitschendes. Sie gestikulierte, die Stewardeß gestikulierte zu Isabelle, die noch immer aufgereckt dasaß, endlich den Kopf gehorsam senkte, mit einem Triumphgefühl, das die Angst übertrumpfte. Endlich kam aus dem Lautsprecher eine Stimme, –hier spricht der Kapitän, Schaum, dachte Isabelle, sie könnten die Landebahn mit Schaum präparieren. Nicht der geringste Anlaß zur Beunruhigung, lediglich ein Problem mit den Reifen, bitte angeschnallt bleiben, wir haben gleich die Parkposition erreicht. Aber etwas rauchte, sah Isabelle. Die anderen Passagiere schienen aufzuatmen, einige richteten sich wieder auf, fingen an zu reden, lachten. Noch immer rollte das Flugzeug, sackte ein, dann brach es nach rechts in sich zusammen, so langsam allerdings, daß es nur noch wenige Meter über den Asphalt schrammte, der Flügel vielleicht verletzt, es beschrieb einen Bogen, eine Wunde hinterlassend, Isabelle klammerte sich an die Lehne, Jakob, dachte sie, er wartete, wußte nicht, was ihr geschah. Endlich stand die Maschine still, auf einen Flügel gestützt und schief, so daß die Passagiere, verrenkten Gliederpuppen ähnlich, in den Gurten nach rechts überlappten. Sie würden, teilte die Stewardeß ihnen mit, über die Rutsche evakuiert, eine Sicherheitsmaßnahme, falls Explosionsgefahr bestehe, was aber so gut wie ausgeschlossen sei, und dann zerbrach etwas, die Selbstbeherrschung der Passagiere, die lostorkelten und zu dem Notausgang drängten, vor dem jetzt ein Mann stand, winkte. Isabelle war eine der letzten, die fürsorglich auf die orange Rutsche gesetzt wurden, sie glitt hinunter, genoß es fast, als wäre das nun tatsächlich ihre Ankunft in London. Obwohl sie ein College in Südlondon besucht hatte, kannte sie von der Stadt kaum mehr als das Studentenwohnheim, in dem sie ein Zimmer nehmen mußte, enge Flure voller Kakerlaken, verdreckte Waschbecken und stinkende Klos. Ein Geruch, der einem den Atem nahm. Sie hatte es Jakob ausgemalt, Zigaretten, altes Fett, verschimmelte Teppiche dort, wo durch die undichten Fenster Regenwasser ins Haus drang. Nachts zu siebt in eines der winzigen Zimmer gequetscht, Wodka, bis sie betrunken waren, auf den Teppich kotzten, zu spät zum Unterricht erschienen, was den Lehrern gleichgültig war, solange bezahlt wurde, solange sie zeichneten und irgendeine Mappe ablieferten.
    Die Passagiere redeten jetzt aufgeregt, erleichtert durcheinander, drängten sich in die Busse, einige schimpften über die Verspätung, einige spotteten über die Ungeduld der anderen, im Bus ging eine Flasche Parfüm zu Bruch, gleich sollte auch das Gepäck ausgeladen werden, aber Isabelle wartete nicht, lief, plötzlich voller Sehnsucht, hinaus und in die Ankunftshalle. Da war Jakob. Etwas war durchgesikkert, irgendeine Aufgeregtheit, er umarmte sie heftig, ließ sie nicht mehr los. Dann standen sie ratlos da. –Dein Gepäck, sollen wir es nachschicken lassen, was ist überhaupt passiert, wie kommst du wieder zur Gepäckabholung hinein? Beladene Gepäckwagen, Kinder, eilige Flughafenangestellte, Geschäftsleute strebten vorbei, Familien langsamer und komplizierter als die anderen, mit Puppen, Kinderrucksäcken und Täschchen, die von den Gepäckwagen purzelten, Mütter mit Babys im Arm, und dann kam ein ganzer Sportverein in blauen Trikots und weißen Trainingshosen. An den Schultern drehte Jakob vorsichtig Isabelle zu sich und küßte sie. –Laß uns nach Hause gehen, bat sie. Sie spürte seine Hände, seinen Atem. Doch dann drehte er sich um, sprach auf einen Mann in Uniform ein, und Isabelle durfte zurück zu den Gepäckbändern, die ihre Koffer im Kreis transportierten, und mit den drei Koffern kam sie, ernüchtert, zurück.
    –Wir gehen nach Hause, versicherte ihr Jakob und schob den Wagen. –Nach Hause, und dann in ein Pub, und zwischendurch können wir einen Spaziergang machen. Er hatte den ganzen Nachmittag frei, Maude hatte ihn weggeschickt, obwohl er sich verwahrte, denn am Nachmittag sollte Bentham in die Kanzlei kommen. –Der erste Tag mit Ihrer Frau!, und Maude ließ sich nicht umstimmen. Sorgsam verstaute der Taxifahrer die Koffer. Zwar war der Himmel klar, die Sonne jedoch blaß, die Landschaft noch fad. Die Bäume kahl, nur ein leichter Schleier grün, nichts, was das Herz erwärmte. Isabelle suchte seine Hand. –Und Andras, war er sehr traurig? Der Übergang war schwieriger als gedacht, fand Jakob und war

Weitere Kostenlose Bücher