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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Böses kommen würde, nicht wahr?«
    Rudi nickte. Kidu beobachtete beide mit undurchdringlicher Miene.
    »Dieses Weib ist nach Ur gekommen und hat Dinge verlangt wie noch niemand vor ihr, und wenig später hat der Samana zugeschlagen. Ihre Forderungen haben das Gleichgewicht -«
    »Macht die Tür auf«, verlangte Kidu.
    »Sie ist der Grund für die Hungersnot und für die Überschwemmungen«, erklärte Asa. »Sie ist diejenige, die wirklich zu sterben verdient!«
    »Macht die Tür auf!«
    Asa öffnete sie, und Rudi spähte in die dunklen Tiefen des Lehmverschlags. Eine Frau hatte sich wie ein Fötus auf dem Boden zusammengerollt. Fliegen summten um ihren Kopf, um ihre Hände. Kidu sagte kein Wort, doch Rudi spürte seinen Zorn wie die Strahlen Shamashs. Zwei Sklaven duschten die Frau mit Wasser ab. Dann wurde sie in die Morgendämmerung herausgeschleift.
    »Sie ist der Grund dafür«, sagte Asa. »Das Weib Chloe.«
    Kidu sog so scharf die Luft ein, dass er zischte wie eine Schlange. »Hebt ihren Kopf«, knurrte er.
    »Warum?«, fragte Asa.
    »Hebt ihren Kopf«, kommandierte Kidu mit zusammengebissenen Zähnen.
    Asa packte den Kopf des Mädchens an den Haaren und drehte ihr Gesicht zu ihnen her. Rudi hatte diese junge Frau noch nie gesehen. Eine Khamitin, und halb tot geprügelt. Ein grünes, vor Schmerzen glasiges Auge starrte sie an.
    Kidu war wie verzaubert. Er kniete neben ihr nieder und sprach leise auf sie ein. »Wer ... wer hat dir das angetan?«
    »Die Alten Knaben, von denen sie hergebracht wurde, haben sich ein bisschen mit ihr amüsiert«, sagte Asa.
    Wie ein Blitz schoss Kidu hoch und kam dicht vor dem älteren Mann zu stehen, bis er ihm aus nächster Nähe in die Augen hinuntersah. »Haben sie -«
    »Sie haben sich natürlich ein wenig an ihr gerächt, aber sie haben sie nicht geschändet«, sagte Asa. »Sie ist diejenige, die sterben sollte, En Kidu. Sie hat all das auf uns herabbeschworen.«
    »Sterben?«, krächzte das Mädchen zwischen verschorften Lippen hervor. »Ich soll sterben?«
    »In ein paar Tagen werden Mond und Sonne miteinander kämpfen«, erklärte ihr Rudi. Das eine, plötzlich gewitzt und hellwach wirkende Auge des Mädchens erfasste sie. »Sie fordern ein Menschenleben als Opfer, um sicherzustellen, dass die Sonne gewinnen wird.«
    Kidu musterte das Mädchen mit seinem bohrenden, einschüchternden Blick. Rudi bemerkte, dass die Falten rund um seinen Mund und seine Augen weiß geworden waren und dass sein Atem flach und schnell ging. Er kennt sie?, fragte sie sich.
    Das Mädchen schloss die Augen und senkte den Kopf.
    »Bist du gewillt, dein Leben für das Wohlergehen des Gemeinwesens von Ur hinzugeben?« Kidus Stimme war sanft wie eine linde Brise. »Sieh mich an, wenn du antwortest.«
    Sie wandte sich ihm zu und versteinerte einen Moment, als sie ihm ins Gesicht sah.
    Rudi hatte schon öfter beobachtet, dass Kidus unglaubliche Schönheit diese Reaktion hervorrief. Die beiden starrten einander an.
    »Beantworte seine Frage, Weib«, mischte sich Asa ein. »Bist du gewillt, für das Gemeinwesen von Ur zu sterben?«
    »Nein! Ich bin nicht gewillt, für eine Sonnenfinsternis zu sterben! Das ist kein Zeichen der Götter, sondern einfach ...« Sie schien nach dem richtigen Wort zu suchen. »So etwas kommt häufiger vor. Wird hier bei jeder Sonnenfinsternis jemand geopfert?«
    Rudi bekam eine Gänsehaut. Woher wusste dieses Weib, was eine Sonnenfinsternis war? Woher wusste sie, dass sie öfter vorkamen?
    Die Frau war noch nicht am Ende. »Ich bin ganz bestimmt nicht gewillt. Man hat mich auf dem Heimweg von der Schule entführt. Ich weiß nicht, was dann mit mir passiert ist, ich -«
    Kidu wirbelte auf dem Absatz herum und bannte Asa mit seinem Blick. »Sie wird die Ensi ersetzen.«
    »Was!«, schrie sie. Rudi fiel auf, dass sie unter ihrer khamiti-schen Haut schlagartig bleich geworden war. »Das werde ich nicht!«
    »Sie, sie scheint nicht gewillt zu sein«, wandte Rudi ein.
    »Wenn wir die Götter wirklich überzeugen wollen, dass wir die Ensi opfern, dann sollte Puabi, so scheint es, heute noch die Stadt verlassen und in weite Ferne reisen, bis all das vorüber ist«, sagte Kidu.
    »Aber es gibt Rituale, es gibt -«, setzte Asa an.
    »Ich werde nicht sterben!«, mischte sich das Mädchen ein, das sich jetzt ernsthaft gegen seine Entführer zur Wehr zu setzen begann. Sie war zwar groß und behände, aber so erschöpft und halb verdurstet, dass sie sich kaum auf den Beinen halten

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