Die Händlerin von Babylon
zuschauen, wie wir sie schlagen. Es wird ein erhebendes Erlebnis werden. Vielleicht sollten wir eine Feier daraus machen. Wie lange würde es wohl dauern, bis wir sie ausgerüstet haben?«
»Ich bin noch nicht lange ein Bürger von Kish«, bekannte der General. »Dennoch finde ich ein solches Verhalten sträflich. Warst du schon jemals in einer Schlacht, Herr?«
»Natürlich nicht! Was wir wollten, haben wir noch immer durch Verhandlung und Feilschen bekommen.«
»Warum willst du dann in den Krieg ziehen?«
»Wegen des Ruhmes, mein Sohn. Wegen des Ruhmes.«
Das Zwielicht wirkte heute nicht gerade ermutigend. Ihre erste Nacht in Kish würde sich auf bedrückende Weise in ihr Gedächtnis eingraben. Kaum hatten sie in der Taverne ihre Zimmer bezogen, da hörten sie auch schon, wie die Herolde die gesamte Bevölkerung zusammenriefen.
»Ich war noch nie auf einer öffentlichen Hinrichtung«, sagte Chloe.
»Ein Ereignis, das man keinesfalls verpassen darf«, erwiderte Cheftu. Aus seiner Stimme troff Ironie.
»Ein Großbrand in der einen Stadt, die Hinrichtung eines Verräters in der nächsten. Ich bin nicht sicher, ob es wirklich ein so toller Plan von Nimrod war, nach Norden zu ziehen. Eventuell hätten wir lieber in Richtung Süden wandern sollen«, meinte Chloe. »Nach Dilmun zum Beispiel.«
Cheftu rasierte sich gerade, wobei er das Gesicht zur Grimasse verzogen hatte, um jedes Härchen zu erwischen, und antwortete darum nicht.
»Dilmun«, wiederholte Chloe. »Da braucht man nur auf dem Fluss nach Süden -«
Kesselpauken ließen beide zusammenzucken.
Fluchend blickte ihr Gemahl auf das Blut, das an seiner Hand hinablief.
Ein Omen.
Cheftus Blut. Blut an Cheftus Hand. Ein Omen.
»Chérie, ist etwas mit dir?«, fragte er.
Chloe nickte und wandte sich ab. Ein Omen.
Nachdem Cheftu das Blut abgetupft und den Umhang gewechselt hatte, war er bereit. Draußen saßen Lea, Nirg und Nimrod bereits wartend in einer Reihe. Zu fünft schlossen sie sich den übrigen Besuchern und Einwohnern auf dem Hauptplatz an.
»Mein Gott, hier sieht es aus wie bei mir daheim«, bemerkte Cheftu auf Französisch.
Auf dem Platz fehlte nur noch Madame LaFarge, ansonsten war alles vorhanden.
Mehrere Galgen.
Der Karren mit dem Gefangenen.
Priester.
Adlige.
Gemeine.
Letztere drängten sich um die Galgen, Erstere studierten die Lehmreplik einer Schafsleber, und die Aristokratie bestand durchwegs aus Soldaten, die, den Helm unter den Arm geklemmt, in Habachtstellung das Geschehen verfolgten.
»Wegen Verrates wider das Gemeinwesen«, brüllte der Schreiber, »wird General Olal von Akkad durch Enthauptung mit dem Schwert hingerichtet.«
»Ich glaube, ich muss mich übergeben«, flüsterte Chloe Cheftu zu.
»Nein«, verbot er.
»Ich kann nichts dagegen tun.« »Doch, du kannst und wirst«, sagte er. »Wenn diese Menschen an öffentliche Hinrichtungen glauben, dann bedeutet das, dass hier ein Nachbar gegen den anderen steht.«
»Aber wir sind doch nur auf der Durchreise.«
»Gibt es eine bessere Verkleidung für einen Spion? Niemand wird vermuten, dass du nicht mit ganzem Herzen bei der Sache bist, Chérie.« Er sah sie an. »Du bist tapfer, meine Kriegerin. Es ist besser, blutrünstig zu wirken als den Herrschenden feindlich gesinnt. «
»Lass mich nur kurz meine Häkelnadeln holen«, schnauzte sie ihn an.
»Stricknadeln wären besser.«
Chloe drehte sich nach vorn und starrte mit leeren Augen vor sich hin. Sie würde einfach durch die Szene vor ihren Augen hindurchschauen. Keine Analyse; keine bewusste Wahrnehmung des Galgens. Einfach fest geradeaus blicken und nichts sehen. Die Geräusche blieben trotzdem grässlich. Die Sonne war vom Qualm des Ölfeuers verhüllt, weshalb die Bewohner Kishs in ihren Behausungen verschwanden, sobald der Verräter für tot erklärt worden war.
Ernst kehrten die fünf im Gänsemarsch zu ihrer Taverne zurück. Vor der Tür wurden sie von einem jungen Burschen in Uniform erwartet. »Seid ihr die Überlebenden des Brandes von Shapir, Herr?«
Nimrod bestätigte das.
»Man wünscht, dass die männlichen Mitglieder eurer Gruppe mit mir kommen, Herr.«
»Wohin?«, wollte Cheftu wissen.
»Zum Lugal, Herr.«
Chloe drückte seine Hand; sobald er weg war, würde sie sich übergeben.
»Mächtiger Jäger, wie?«, sagte der Lugal zu Nimrod. »Da hast du einen ziemlichen Ruf, mein Junge.«
Nimrod blieb freundlich, aber auf der Hut. Genau wie Cheftu misstraute er diesem Ort zutiefst.
»Auf einer
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