Die Händlerin von Babylon
ernannt werden, die Verantwortung für die Fruchtbarkeit unseres Volkes zu übernehmen.«
Darum standen die Frauen also in langen Schlangen vor seiner Amtsstube an; darum standen sie in langen Schlangen vor seinen Gemächern an. Der Priester der Fruchtbarkeit. »Ich ... ich habe -«
Sie verdrehte seufzend die Augen. »Du musst meinen Kammerfrauen und ausgesuchten, angesehenen Frauen aus der Stadt beiwohnen. Sie werden entsprechend ihrer Großzügigkeit dem Tempel und den Göttern gegenüber ausgewählt«, erklärte sie ihm, als würde sie zu einem Idioten sprechen.
Mon Dieu, ich stecke in Schwierigkeiten, dachte Cheftu.
»Während der nächsten zwei Wochen wirst du dich für mich
aufbewahren. Für das Ritual.«
»Natürlich«, bestätigte er. Was für ein Ritual? Vielleicht wollte er das lieber nicht wissen. Die Felder bewässern, die Bevölkerung schwängern und eine Zeremonie ausführen hörte sich bedenklich nach dem Brauch der hieros gamos - der Heiligen Ehe an. Dabei wurde der Mann gewöhnlich nach der Vereinigung mit der Hohepriesterin getötet, um eine gute Ernte sicherzustellen. Blieben ihm tatsächlich nur noch zwei Wochen, um sich aus dem Schlamassel zu retten und Chloe zu finden? Und was dann?
Puabi trat hinter ihn und knetete mit kräftigen Fingern die Muskeln in seinem Nacken und seinen Schultern. »Bist du krank? Gestern Nacht ... habe ich wirklich geglaubt, du würdest sterben. Und heute kommst du mir so verändert vor, dass man fast glauben könnte, du seist tatsächlich gestorben und ein im Dunkel des Mondes angereister Dämon würde jetzt in deinem Körper hausen.«
Cheftu reagierte nicht. So war er also in diesem Körper gelandet; der Geist des echten Kidu war geflohen, und zwar zeitgleich mit einer Mondfinsternis. »Ich fühle mich nicht besonders«, murmelte Cheftu.
Puabi drückte seine Schulter. »Ich werde einen Exorzisten und einen Weissager in deine Gemächer schicken. Eventuell auch einen Sterndeuter, aber bestimmt nicht den, der mich abgelehnt hat, und auch nicht Rudi, sondern irgendeinen anderen. Das Gemeinwesen baut auf deine Kraft.«
War dies das Ende der Jahreszeit oder der Anfang? »Es kommt mir ungemein heiß vor«, sagte er. »Für das Jahresende.«
Sie seufzte tief. »Kidu, meine hirnlose Schönheit, das Jahr ist erst zu einem Viertel vorüber. Wir bringen gerade das Wintergetreide ein. Das Sommergetreide ist schon ausgesät, aber noch nicht gesprossen.« Ihre Stimme wurde fester. »Jetzt geh in deine Gemächer, En Kidu. Shama wird dich später abholen. Und kein Opium mehr, hast du verstanden?«
Er schaute sie an. Puabi, seine dunkelhaarige Schönheit, wirkte besorgt. Seine Verwirrung und Begriffsstutzigkeit waren keineswegs gespielt, die waren echt. Sie schien auf eine Reaktion zu warten. »Ich habe verstanden«, sagte er und ging.
Cheftu folgte dem Alten durch Gänge und Korridore bis in einen großen, luftigen Wohntrakt. Hier stand dampfendes Essen auf einem Tisch, und die Bezüge auf seinem Bett waren gestrafft und zurückgeschlagen.
»Lass mich allein«, befahl Cheftu, und sein Wunsch wurde erfüllt.
Erschöpft ließ er sich auf einen Stuhl fallen und den Kopf zwischen die Knie sinken. In welcher Epoche war er hier gelandet? Wo steckte Chloe?
Was hatte er ihnen angetan?
Als Ulu eintrat, schaute Guli auf. Sie sah abgehärmt aus, und die Wurzeln ihrer roten Haare standen lang und braun hervor. Er zwinkerte ihr zu, während er seiner Kundin die letzten Lok-ken eindrehte. Die Kundin hatte ihn mit gedämpftem Fisch für heute und geräuchertem Fisch bezahlt, den er am folgenden Tag verkaufen konnte. Das Aroma hatte Guli während der vergangenen halben Doppelstunde ununterbrochen geplagt, doch die Kundin hatte außergewöhnlich feines Haar, das große Geduld erforderte, wenn jede Locke an Ort und Stelle bleiben sollte.
Ihre Hände hielt die Kundin mit der Handfläche nach oben -ein Hindumädchen am Fluss hatte sie bemalt, und die Farbe war noch nicht getrocknet.
»So«, schloss er, nachdem er die letzte Locke gelegt hatte. »Jetzt bist du wunderschön.«
Ihr Gesicht hatte er bereits geschminkt, wobei er die Augen mit Kajal verlängert und versucht hatte, ihr breites Gesicht mit etwas Öl und Aschetönung schmaler wirken zu lassen. »Ich wünsche dir viel Vergnügen bei der Feier heute Abend.« Endlich heiratete die ältere Schwester der Kundin, womit sie es der Jüngeren nunmehr ermöglichte, ebenfalls zu heiraten. Und welchen besseren Zeitpunkt als ein solches
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