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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Rost so schnell ausgebreitet hatte und so spät entdeckt worden war. Rückgängig machen ließ sich die Katastrophe trotzdem nicht.
    War vielleicht das Wasser schuld? Niemand wusste, wie Sa-mana von Pflanze zu Pflanze weitergegeben wurde. Dieses Wissen lag allein in den Händen der sadistischen Götter von Ur. Wie ein Automat spendete Cheftu den Bürgern seinen Segen und sprach aufmunternde Worte, während sein Blick das gesamte Bild zu erfassen versuchte. Von der Höhe seines Schlittens aus sah er endlose leere Reihen. Die Grenze, nach der Gefahr drohte, lag bei fünfzig Prozent, und auf dieser Seite der Stadt war sie eindeutig überschritten.
    Er winkte einem Schreiber. »Geh zum Südtor. Sieh nach, wie es dort um die Felder steht. Und gib mir umgehend Bescheid.« Dann winkte er einen zweiten Schreiber herbei. »Richte der Ensi aus, dass Ur auf die Notvorräte zurückgreifen muss und dass sie die Hüter des Kornspeichers zusammenrufen soll. Los.«
    Ein dritter Schreiber. »Such den Lugal und sag ihm, er soll den Rat einberufen.« Eine letzte Nachricht: »Asa der Sterndeuter, seine Gefolgsleute und Rudi die Sterndeuterin sollen sich in zwei Doppelstunden in meinem Audienzraum einfinden.«
    Stetig rutschte der Schlitten weiter; Cheftu ergriff immer neue Hände, lächelte in müde, resignierte Gesichter und küsste Kinder unter der herabsengenden Sonne, während sich der Rost weiter durch die Gerstenfelder ausbreitete.
    Heute hatte sich die Macht endgültig verschoben.
    Shama hatte Puabis Augen fertig mit Goldfarbe umrahmt, und seine Herrin seufzte zufrieden wie eine Katze, die man ausgiebig gestreichelt hatte. Er legte den Umhang über ihr Gewand, schloss ihn mit einer muschelköpfigen Fibel und öffnete dann die Schmuckschatulle. Mit einer Verbeugung deutete er auf den unermesslichen Reichtum darin.
    »Ich weiß nicht, was ich nehmen soll, Shama«, gestand sie. »Sie erwarten, die Fleisch gewordene Inana zu sehen. Warum sich eine Göttin ausgerechnet hier blicken lassen sollte, ist mir unbegreiflich. Wenn ich eine Göttin wäre, würde ich auf Dilmun bleiben. Dort brauchen sie sich nicht den Kopf über Sha-mana zu zerbrechen. Das Geschrei hat mich heute Morgen aus dem Schlaf gerissen. Und du weißt, dass ich schlecht schlafe, seit der En sich angewöhnt hat, die ganze Nacht zu den Göttern zu flehen. Jede Nacht. Nicht einmal ein winziges Rendezvous mit einer Sklavin hat er eingeschoben. Er lebt im Zölibat.« Sie seufzte wieder. »Den Göttern sei Dank, dass niemand das von mir verlangt.«
    Seine Herrin wirkte nicht beunruhigt. Ob sie es tatsächlich nicht war oder ob sie den Menschen eine unerschütterliche Fassade vorführte, um ihnen Mut zu geben, vermochte Shama nicht zu sagen. Er musste das Beste annehmen. Und sie wie die zum Menschen gewordene Göttin kleiden, die sie war.
    Darum entschied er sich für reines Gold und Perlmutt. Der
    Kranz aus Muscheln und Goldperlen für den Kopf, dazu ein filigranes Halsband, mehrere Ketten mit Süßwasserperlen, übereinander gelegt, Ohrreifen aus Gold, Armreifen und -bänder mit eingelegten Muscheln und Goldtröpfchen und schließlich ein zweiter, gewebter Kranz für den Kopf. Ihr Gewand gürtete er mit einem handbreiten Lederstreifen, der mit Gold und Perlen aus weißem Halbedelstein bestickt war. Die Enden fielen ihr bis auf den Saum herab, sodass jede ihrer Bewegungen von dem Geklingel winziger goldener Glöckchen untermalt wurde. Die Sandalen waren aus gebleichtem Leder genäht, und ihre Zehennägel hatte er vergoldet.
    Eine würdige Gemahlin für den bronzefarbenen En und eine prachtvolle Darbietung für die Ratsmitglieder, die noch nie wahre Schönheit erblickt hatten. Puabi hatte sich die Zähne mit einem goldenen Stocher gereinigt, den sie nun in Shamas ausgestreckte Hand fallen ließ. Er öffnete die Türen, und ihr Gefolge von Sklaven, Schreibern und Hilfspriestern in weißen Röcken und mit goldenen Halsbändern verbeugte sich, mit Fächern aus türkisen Federn wedelnd, die in allen Regenbogenfarben schimmerten. Sobald die Hilfspriester ihren Gesang anstimmten, legte Shama den Zahnstocher auf dem Tisch ab und nahm seinen Platz in der Prozession ein.
    En Kidu erwartete sie oben an der Treppe, ebenfalls in reinweiße Wolle gehüllt und mit genauso viel gleißendem Gold behangen. An seinem Ohr baumelte eine makellose Perle von der Größe eines Rotkehlchen-Eis. Kleinere, durchbohrte Perlen waren in seinen Bart gewoben, und sein filigranes Diadem schien beinahe mit

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