Die Händlerin von Babylon
Tafelvater konnte sich sehr gut vorstellen, dass Asas Frau nichts als den Namen erfahren hatte.
»Ich glaube«, meinte er, eine Hand auf Asas legend, »ich kenne dieses Weib Chloe.«
Der Sterndeuter, dessen Augen nach vielen vergeblichen Versuchen, den Himmel zu erkennen, blutunterlaufen und trübe waren, sah ihn hoffnungsvoll an. »Wer ist sie? Ich zahle jeden Preis, das schwöre ich bei Ninhursag!«
»Chloe ist der weibliche junge Bruder in meinem Haus der Tafel«, erklärte ihm der Tafelvater. »Der Lugal hat mich gezwungen, sie aufzunehmen, aber . « Er sann nach. Mehrere Knaben hatten sich schon an ihn gewandt, sich über ihre Anwesenheit beschwert und ihm gedroht, das Haus der Tafel zu wechseln. Der Tafelvater sah mit Bangen jenem Tag entgegen, an dem ihn die Väter aufsuchen und die Drohung in die Tat umsetzen würden. Außerdem hatte es Gerüchte über irgendein Gerangel gegeben, doch die hatte Kalam im Keim erstickt, noch bevor sie sich ausbreiten konnten. Dieser Alte Knabe machte seinem Haus der Tafel alle Ehre.
»Ein Weib hat das Haus der Tafel besucht?«, fragte der Sterndeuter. »Das könnte durchaus . nun ja, das könnte der
Grund für diese schlimmen Omen sein.«
»Und nicht die Ensi, meinst du?«
»Doch, doch«, sagte der Sterndeuter. »Die Zeichen für das Urteil der Götter über die Ensi sind nicht misszuverstehen, aber ...« Unvermittelt hielt Asa inne. Sein Blick war auf einen Punkt in der Ferne gerichtet, und der Tafelvater hatte das Gefühl, dass Asa irgendetwas durchdachte, von dem der Tafelvater nichts ahnte. »Hat sie eine Familie, die dagegen protestieren würde? Gegen den Verkauf der Schafe, meine ich?«
Der Tafelvater zog seinen Umhang zurecht. »Sie steht unter Ningals Schutz.«
»Sie ist so schön?«
Der Tafelvater zuckte mit den Achseln. »Wenn man eine Schwäche für Khamitinnen hat, wohl schon.«
Asa sah ihn aufmerksam an. »Eine Khamitin?«
»Sie besitzt die Schafe, die deine Frau um jeden Preis haben möchte.« Der Tafelvater redete von Schafen, wusste aber, dass sich ihr Gespräch um etwas ganz anderes drehte. »Denk nur an die Stille.«
Asa senkte nachdenklich die rot geränderten Augen.
»Ensi Puabi wird Dienerinnen brauchen, nicht wahr?«
Der Kopf des Sterndeuters ruckte hoch, als sein Liebhaber das sagte. »Aber ... ja.«
»Ich werde Chloes Namen auf die Liste des Rates setzen lassen«, schlug der Tafelvater vor. »Und ich kann mehrere von meinen Alten Knaben dazu anhalten, das ebenfalls zu tun.«
»Wird Ningal nicht -«
»Der ist auch nur ein Mensch. Bestimmt kann er den Bezug sehen. Die Überschwemmung hat dieses Mädchen zu uns geführt, das durch seine Forderungen und Ideen Chaos in unser Gemeinwesen zu bringen versucht hat, darum ist es nur recht und billig, dass sie am Tag einer Mondfinsternis nach Kur eingehen sollte.« Einen Arm um Asas Schultern gelegt, fuhr der Tafelvater leise fort: »Du bist der Sterndeuter, was du dem
Lugal erzählst, steht über allen Wahrheiten.«
Asa fasste nach der Hand des Tafelvaters und legte sie auf seinen Leib. Weiter sprachen sie nicht.
Ihr erster Gedanke war: Cheftu ist jetzt groß und blond.
Sean Connery saß an ihrem Bett: Ningal. »Wie geht es dir, Chloe?«
Chloes Blick wanderte von der Hand, die ihre hielt, über einen weißen Arm hinauf bis zum geschminkten Gesicht einer braunhaarigen Frau. Die Frau lächelte. Chloe erwiderte ihr Lächeln.
»Das ist Ulu, sie hat mir geholfen, während du krank warst.«
»Danke«, krächzte Chloe durch ausgetrocknete, gesprungene Lippen. Ulu reichte ihr einen Trinkhalm, und Chloe sog ein paar kleine Schlucke süßes Frühstücksbier in ihren Mund. Sofort wurde ihr leicht im Kopf. Sie drehte sich erst zu Ningal, dann zu Ulu um. Sie hob eine Hand an ihren Kopf; er fühlte sich tatsächlich leichter an.
»Er musste dir die Haare schneiden«, klärte Ulu sie auf. »Das Fieber.«
Ihr Haar war auf Kinn- und Ohrenlänge gestutzt. Abgeschnitten. »Ich habe Fieber gehabt?«, fragte sie.
Ningal nickte und eröffnete ihr dann, dass sie die letzten vier Tage im Bett gelegen hatte. Die meiste Zeit bewusstlos. »Kannst du dich daran erinnern, was passiert ist?«
Cheftu hat gesagt, dass er mich an diesem Abend besuchen würde. Hat er mich besucht? Weiß er, dass ich verletzt bin? »Diese Jungen«, setzte sie vorsichtig an. »Ich bin gestürzt -«
»Und auf einer Hacke gelandet.«
»Kein Wunder, dass es wehgetan hat.« Bitte lasst mich allein, dachte Chloe. Lasst mich allein, damit
Weitere Kostenlose Bücher