Die Händlerin von Babylon
sich Ezzi ein.
Der En sah einen nach dem anderen an. »Ist dies auch dein Vorschlag, Sterndeuter Asa?«
Der Sterndeuter ging mit keinem Wort auf Ezzis Bemerkung ein, doch Ezzi spürte Asas Zorn und seine Erschütterung. »Die Asu und Asipu wenden diese Technik schon seit einiger Zeit bei ihren Kranken an«, erklärte Asa. »Es handelt sich um ein geheimes Verfahren, das nur den Eingeweihten bekannt ist.«
Wieder spürte Ezzi den Blick des En, diesmal allerdings nicht ganz so ablehnend. Der En nahm also an, dass Ezzi zum Kreis der Eingeweihten gehörte. In diesem Moment war Ezzi sicher, dass die Götter schlechte Taten belohnten. Obwohl seine Taten vom Blickpunkt der Götter aus möglicherweise gar nicht so schlecht waren. Schließlich wusste niemand, was die fernen Gottheiten mit ihren Menschensklaven im Sinn hatten.
»Lass uns das klar stellen, Asa«, meinte der En trocken. »Erst kommst du zu mir mit der Nachricht, dass Puabi sterben muss. Und nun erklärst du, dass die Götter schon zufrieden sind, wenn eine andere Frau als Puabi verkleidet stirbt und die Ensi selbst weiterlebt.«
Asa zog die Schultern hoch. »Die Wege der Götter sind verschlungen. Diese Übereinkunft würden sie nicht als anstößig empfinden. Schließlich kann ein Mann auch die Schulden eines Familienmitglieds übernehmen und an dessen Stelle in die Sklaverei verkauft werden.«
»Es ist dasselbe Prinzip«, bekräftigte Ezzi.
Das Lächeln des En blieb spröde. »Tod und Sklaverei sind keineswegs dasselbe, Herr.«
»Stimmt.«
»Kennt ihr irgendeine Frau, die dazu bereit wäre? Wenn sie als Puabi stirbt, verliert sie doch ihren Namen und ihr Gesicht in der . Nachwelt, nicht wahr?«
»In Kur ist das nicht weiter schlimm«, beschwichtigte Ezzi.
Schweigen.
»Mein . Assistent spricht die Wahrheit«, bestätigte Asa. »In Kur zählt der Name kaum. Wie du selbst weißt, gibt es dort keine Rangordnungen, keinen Luxus, keine Belohnungen oder Bestrafungen. «
Ezzi meinte die goldenen Augen des En aufblitzen zu sehen, aber vielleicht war er auch nur selbst so aufgeregt. »Ich kenne eine Frau -«, setzte Ezzi an.
Der En schnauzte ihn an: »Knabe, wenn du nicht still bist, wirst du dich bei der Bestattung zu Puabis Gefolge gesellen.«
Ein Schauer überlief Ezzi, als die kalten Augen des En ihn erfassten. Dies war ein anderer Mensch als früher; vielleicht hatte ein Dämon Besitz von ihm ergriffen. Vielleicht sollte lieber er sterben.
»Kennst du irgendwen, der sich dazu bereit erklären würde?«, fragte Kidu Asa.
»Äh, freiwillig, und ohne jeden Nachruf? Ich muss gestehen, dass mir da spontan niemand einfällt.«
Ezzis biss sich auf die Lippe; seine Idee dem En zu verraten, wäre vergeudete Liebesmüh. Er würde sich lieber direkt an die Ensi wenden. Schließlich hatte sie die Macht inne. Sie fällte die Entscheidung. Sie war diejenige, die sie aus dem Weg zu räumen versuchten.
»Dann ist euer Plan womöglich noch nicht ausgereift«, bemerkte der En im Aufstehen. »Kommt wieder, wenn ihr ein williges Opfer gefunden habt.« Ohne ihnen auch nur Zeit für eine ehrerbietige Verbeugung zu lassen, marschierte er aus dem Raum.
Der Tafelvater lehnte sich mit einem Rülpser zurück. »Deine Frau versteht mehr mit Schafen anzufangen -«
»Schafe!«, rief Asa aus. »Bei den Göttern, wie mich dieses Wort anödet.«
»Verzeih«, sagte der Tafelvater. »Ich wollte dich nicht daran erinnern. Ist deine Frau immer noch so versessen auf diese Schafe?«
»Auf die mit den gelben Flecken am Tor.« Asa rieb sich die Schläfen. »Schon mehrmals hat sie sich an die Hirten gewandt, doch die verraten ihr nur, dass die Schafe einem Weib namens Chloe gehören. Aber nicht, wo sie dieses Weib finden oder wie viel sie verlangen könnte -«
»Chloe?«, wiederholte der Tafelvater. Er konnte sich schon ausmalen, wie das Gespräch zwischen Asas Frau, diesem kulinarischen Genie, und den mit Schafskot befleckten Hirten abgelaufen war. Bestimmt hatte Asas Frau erst einmal ihre lange, scharfe Shemti-Nase hochgereckt und gefordert, mit dem Oberhirten zu sprechen. Dann hätte sie bestimmt sein Siegel zu sehen verlangt, bevor sie auch nur ein Wort an ihn gerichtet hatte.
Daraufhin hatte sie die gelben Schafe gefordert. Der Hirte hatte ihr wohl erklärt, dass das Gemeinwesen sie nur als Lehen hielt. Mit Sicherheit hatte sie dann verlangt, dass man ihr den Namen und die Adresse des Besitzers nenne, um ihm mitzuteilen, dass die Schafe verkauft worden waren - o ja, der
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