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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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ihr Gewand sauber war, und lehnte sich wartend zurück.
    Die Sklavin kehrte zurück. Allein. Ulus Vorfreude schmolz schlagartig dahin.
    »Der Mann Guli war nicht in der Taverne. Und in seinem ehemaligen Haus hat niemand auf mein Klopfen geantwortet.«
    Ulu senkte den Blick. »Danke«, sagte sie. Dann ließ die Sklavin sie allein zurück.
    Cheftu traute seinen Augen nicht, und er konnte auch nicht überschlagen, in welchem Jahr, welcher Epoche er es sah, doch es hatte ganz den Anschein, als hätte diese Gesellschaft die Demokratie lange vor den Athenern eingeführt, die diese Erfindung doch für sich reklamierten. Die beiden Häuser des Gemeinwesens von Ur standen einander gegenüber. Der Lugal vermittelte, während Cheftu und Puabi seitlich am Rand saßen. Falls es zu einem Patt kommen sollte, würde Puabi s Stimme den Ausschlag geben.
    Heute Abend drehte sich die Debatte um den Handel. Die Gerstenernte war vom Rost befallen. Falls keine weiteren Schäden auftraten, würden sie wenigstens dreißig Prozent des normalen Ertrags erwirtschaften. Die Schreiber arbeiteten wie die Wilden, um die Steuern und damit auch den Haushalt des Gemeinwesens neu zu berechnen. Man hatte Spione nach Norden ausgesandt, die in Erfahrung bringen sollten, wie viel das Getreide in den Städten am Oberlauf des Flusses kostete, bevor ein förmlicher Kaufantrag gestellt würde. Die bis dahin gewonnen Erkenntnisse würden sicherstellen, dass die im Norden lebenden geldverliebten Verwandten ehrlich blieben.
    Noch in dieser Nacht würden die Schiffe Segel setzen, um die bekannte Welt nach einem Ersatzgetreide abzusuchen. Die Zahlen der jetzigen Überschusse hielt Cheftu in Händen. Wenn sie die Lager auflösten, hätten sie praktisch keinerlei Reserven mehr, doch wenn sie nur die Hälfte verteilten, blieben sie zusätzlich gegen eine weitere Missernte gewappnet.
    Puabi hockte wie eine Statue neben ihm. Er bezweifelte, dass sie auch nur die Hälfte der Auseinandersetzung mitbekam, und er vermutete, dass ihr die Sache völlig egal war. Die Sterndeuter warteten in seinen Gemächern, während er darauf wartete, dass die langatmigen Vertreter des Rates ihre Debatte beendeten.
    An den Wänden des Saales hatten sich Frauen versammelt und verfolgten, wie ihre Männer, Brüder und Söhne Entscheidungen trafen, die alle Bürger betreffen würden. Zwar hatte Cheftu den älteren Mann vom Feld ausmachen können - Richter Ningal, einen sehr angesehenen Bürger -, doch Chloe sah er nicht. Ihr eine Nachricht zukommen zu lassen, wagte er nicht; einstweilen musste sie sich mit dem sicheren Wissen begnügen, dass sie beide hier waren. Puabi hatte mehr Spione auf En Kidu angesetzt als je ein König auf seinen möglichen Nachfolger.
    Zu einer Abstimmung würde es an diesem Abend nicht kommen, heute ging es lediglich um einen Meinungsaustausch. Der Lugal entließ die Versammelten, woraufhin Puabi und Cheftu als Erste den Raum verließen, beschützt durch eine Phalanx von Priestern, Schreibern und Puabis unzähligen Kammerzofen. »Muss ich mit?«, fragte sie, als sie beide den Schlitten bestiegen.
    »Zurück zum Tempel?«, fragte er. Der Ochsenführer gab den Tiere die Peitsche, und das Gefährt ruckte an.
    »Nein, natürlich möchte ich in den Tempel. Ich meine zu dem Treffen mit den Sterndeutern. Sie werden sowieso nur über den Rost reden und fordern, dass ich zurücktreten soll. Ich will mir das nicht anhören. Ich habe -« Sie verstummte.
    »Du hast was?«
    »Andere Sachen zu tun.« Ihr Tonfall war abweisend.
    »Mir ist es egal, mit wem du dich vereinst«, teilte er ihr mit.
    »Ganz offensichtlich.«
    »Es geht bei der Besprechung um dein Leben, Puabi! Willst
    du nicht dabei sein?«
    »Ich stimme dafür, dass ich regieren darf!«, brauste sie auf. »Soweit es mich betrifft, ist damit alles gesagt.«
    Vielleicht hatte Cheftu, als er erstmals neben ihr aufgewacht war und ihren Blick als scharfsinnig oder intelligent eingestuft hatte, sich getäuscht. Aufmerksam traf es wohl eher. Gewitzter als die Ochsen, doch so selbstbezogen wie eine Schlange. Trotzdem empfand er etwas für Puabi - eines von Kidus unerklärlichen Gefühlen. Schweigend fuhren sie dahin. Die Nacht hatte sich herabgesenkt und kühlte die Erde ab.
    Als sie in den Tempelkomplex einbogen, seufzte er.
    »Bist du wütend auf mich?«, fragte Puabi, eine Hand auf seinem Arm.
    Er betrachtete ihr bezauberndes Gesicht. Ihr Blick war klar und besorgt. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er angenommen, sie

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