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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sich. Atmet. Hält Feste. Zieht die schönsten Frauen an seinen Hof. Manchmal auch, schattenhaft, unscheinbar, kommt mit seinen Brüdern Messer Artese aus Florenz, steht ferne, bescheiden, neigt sich viel Male.
    *
    Das Kind Margarete wuchs heran auf den Schlössern Zenoberg, Gries, Tirol. Lernte gern und viel. Fragte den klugen, redseligen, betulichen Abt Johannes von Viktring bei allem, was sie sah und hörte, warum, wieso. Trieb mit den Äbtissinnen der Klöster Stams und Sonnenberg Theologie. Der Prunk, die feierliche Ordnung der Liturgie zwangen ihr Bewunderung ab. Sie sprach und schrieb fließend Latein und Welsch. Interessierte sich brennend für politische und national-ökonomische Dinge. Hörte aufmerksam den historischen Vorträgen des gelehrten Abtes zu, und während die anderen seine begrifflichen politischen Theorien gelangweilt belächelten, konnte sie nicht genug davon kriegen. Gründlich unterrichtete sie sich bei den vielen fremden Gästen ihres Vaters über die Verhältnisse der andern Höfe und Länder. Verächtlich schnupperte sie, als sie hörte, Ludwig von Wittelsbach, der Bayer, erwählter Römischer Kaiser, der vierte seines Namens, spreche nicht Latein.
    Sie streifte durch das Land. Zu Wagen, in der Pferdesänfte. Die Passer hinauf, hinab, durch die Rebenterrassen, Obstgärten. Ging mit wachen, klugen Augen durch die farbigen Städte Meran, Bozen. Beschaute die Bürger, ihre steinernen Häuser. Rathaus, Markt, Mauern, Pranger, Stock, Herbergen, Badehäuser, die Leichen der Gerichteten vor den Toren. Hielt rasche, herrische Einkehr in den Höfen der Bauern, den Wachhütten der Winzer.
    Der gutmütige König Heinrich kümmerte sich wenig um sie. Er ließ sie treiben, was sie wollte. Erkundigte sich zuweilen zärtlich, ob sie denn mit ihren Kleidern hinausreiche, ob sie nicht mehr Schmuck, Pferde, Dienerschaft brauche. Fragte allenfalls, was sie von dem neuen flandrischen Koch halte, oder wie der genuesische Mantel stehe, den er sich eben habe machen lassen. Er ging ganz auf in Kleidersorgen, Stiftungen für Klöster, Festlichkeiten, Gastereien, Turnieren, Frauen. Wenn sie sich mit seinem klugen Sekretär unterhielt, dem Abt von Viktring, dann schaute er wohl gerührt auf sie, sagte zu Beatrix, seiner Frau, zu seinen Gästen: »Mein gutes Kind! Wie gescheit sie ist !«
    Von den Klosterfrauen lernte sie singen. Es war erstaunlich, wenn unter der platten, breiten Nase aus dem äffisch sich vorwulstenden Mund die Stimme herausdrang, schön, warm, erfüllt. Während sie sonst mit ihren Kenntnissen nicht zurückhielt und ohne Scheu redete, sang sie fast nie vor Fremden. Des Abends, unter Obstbäumen, allein, sang sie ihre Lieder, kunstvolle aus Italien, aus der Provence oder auch einfache deutsche, wie sie sie rings vom Volk hörte.
    Manchmal, selbst wenn sie allein war, brach sie mitteninne ab. Die Zwerge konnten sie hören. Die Zwerge wohnten in allen Berghöhlen. Sie aßen und tranken, spielten und tanzten mit den Menschen. Aber unsichtbar. Nur der regierende Fürst kann sie sehen, der zu Recht das Land beherrscht, in dem sie gerade verweilen. Ihr Vater hat die Zwerge gesehen, auch der Bischof von Brixen, in dessen Gebiet sie zuweilen kamen. Jakob von Schenna hat ihr Genaues von den Zwergen erzählt. Sie schrieben Briefe, bildeten unter sich einen Staat, hatten Gesetze und einen Fürsten, bekannten den katholischen Glauben, kamen heimlich in die Wohnungen der Menschen, waren ihnen hold. Sie führten Edelsteine mit sich, mit denen sie sich unsichtbar machen konnten. Sie fragte Herrn von Schenna, warum sie sich unsichtbar machten. Herr von Schenna wich aus. Durch Zufall, von einer Magd, erfuhr sie den Grund. Weil sie sich ihrer Häßlichkeit schämten. Sie ward noch fahler als sonst. Schluckte.
    Mit peinlichster Sorge pflegte sie ihren Körper. Sie nahm täglich ein Dampfbad, wusch sich mit Kleienwasser, französischer Seife. Sie wickelte das Zahnpulver in frisch geschorene Wolle, ehe sie ihre großen, schräg vorstehenden Zähne reinigte. Sie pflegte ihre Haut mit Weinsteinöl, gebrauchte rote Schminke aus Brasilholz, weiße aus gepulverten Zyklamenknollen.
    Des Nachts legte sie eine Wachsmaske auf, ihren unreinen Teint zu bessern. Sorglich, mit Opfern, gehorchte sie jeder neuen Modevorschrift.
    Mußte sie dann sehen, wie gleichwohl jeder drallen, ungewaschenen Bäuerin mehr wohlgefällige Männerblicke folgten als ihr, dann wandte sie mit einem Ruck ihre Gedanken von diesen Dingen, stürzte sich

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