Die haessliche Herzogin
ehrgeizig für ihn. Daß sich seine strahlende Begabung nicht auch den andern offenbarte, war nur, weil sie ihn in Tirol zurückhielt, weil ihm hier die Gelegenheit fehlte. Sie, Margarete, war schuld, daß er vor der Welt unscheinbar und ohne Größe war. Sie war ihm verschuldet, sie schuldete ihm die Gelegenheit zur Größe.
*
Chretien hatte mittlerweile die Herrschaft Taufers übernommen. Er besaß die Dörfer Luttach, Sand, Kematen, das Nevestal, das Reintal. Das alles war unter dem Regiment der Damen von Flavon ein wenig heruntergekommen. Er freute sich darauf, es wieder hochzubringen.
Eine große, unbändige Lust füllte ihn an, nach den langen Jahren bei Hofe sein eigener Herr zu sein. Leer, bunt und widerwärtig lag die Zeit bei Herzog Johann hinter ihm. Die vielen, zwangvollen Zeremonien, das ewige Geknufftwerden, das Nichtsprechendürfen, die tiefen Neigungen und Kniefälle, die frechen Anmerkungen hinterher, das verlogene Gefeilsche bei den Turnieren, das glänzende und dabei so drangvoll bettelhafte Leben, ständig in Angst vor dem Gläubiger. Er reckte das magere, gebräunte Gesicht mit der starken Nase und dem unbekümmerten, langen Haar in die Luft, in seine Luft. Er ritt herum auf seinen Höfen, die Bauern schauten wohlgefällig, voll Verehrung auf den schlanken, sicheren, hurtigen Herrn, die Weiber und Mädchen starrten ihn andächtig an wie in der Kirche.
Am Tiroler Hof hätte er es nicht länger ausgehalten.
Er wäre gern und mit Überzeugung irgendwohin geritten ins Abenteuerliche. Jetzt, so war alles anders, und er fühlte sich sehr wohl. Es genügte seiner Unternehmungslust vollauf, sein Leben heraufzuwirtschaften. Natürlich wird er auch zu Hofe reiten, Kriegszüge mitmachen, bei Turnieren nicht fehlen. Aber etwa nach Afrika zu ziehen und Mauren zu erschlagen oder sich mit Türk und Sarazen um das Heilige Grab herumzuhauen, danke sehr! Dazu verspürte er vorläufig durchaus kein Verlangen. Er ritt männlich und zufrieden auf seinem Boden herum und genoß seine junge Herrschaft.
Eines Tages besuchte ihn die Herzogin. Er war Margarete tief und untertänig zugetan. Er dachte keinen Augenblick daran, seine flüchtigen und sehr wirklichen Beziehungen zu der und jener Frau mit den Gefühlen für sie zu vermengen. Margarete war ihm ein Begriff, in den sich auch Vorstellungen eindrängten, die er von den Sängern und Spielleuten her kannte.
War ihm eine poetische und luftige Angelegenheit, die in der Belehnung mit Taufers eine unerwartete, glückhafte, reale Auswirkung gefunden hatte, die er aber mit seiner übrigen Wirklichkeit nicht in den losesten Zusammenhang brachte. Er ahnte nicht, was er für Margarete war, welche Rolle er in ihrem Leben spielte.
Er empfing die Herzogin freudig und mit ergebener Herzlichkeit. Seine Stimme hatte jene schleierige, vieldeutige Befangenheit, die Margarete erbeben machte.
Was er sagte freilich, war nüchtern und sachlich. Er sprach ihr von den Veränderungen, die er für seine Güter plante, von einer mehr rationellen Bodenbewirtschaftung, strafferen Zucht der Bauern. Sie unterbrach ihn unvermittelt, auf die Gletscher weisend, die einsam, klar und höhnisch fern in ein helles Blau zackten: »Haben Sie nie Lust, Chretien, einen von diesen Gletschern zu betreten ?«
Chretien sah sie verblüfft und etwas töricht an. Er sagte, und jetzt klang auch seine Stimme ganz klar und ohne Geheimnis: »Nein. Warum sollte ich da hinaufsteigen ?« Dann sprach er wieder davon, wie angenehm und ertragreich die unteren Hänge seien.
Einige Tage später kam Agnes von Flavon. Sie war schon mehrmals bei Chretien auf Schloß Taufers gewesen. Es ergab sich immer wieder eine Kleinigkeit, die noch zu regeln war; auch Chretien fand nicht ohne Geschicklichkeit immer neue Fragen, die Auskunft und persönliche Besprechung erforderten. Agnes war blond, rührend, hilflos und nahm stets von neuem mit verlorenen Blicken Abschied von dem Schloß und den Bergen ringsum.
Unterdes heiratete die ältere Schwester Maria von Flavon einen bayrischen Herrn und überließ den beiden anderen Schwestern Schloß Velturns. Es mußte aber dem Bayern eine ansehnliche Mitgift ausgezahlt werden; die Herrschaft Velturns war an sich schon überlastet; Agnes bat mit großen, treuherzigen Augen Chretien um Rat. Chretien kam nach Velturns, sah die schlampige, elegante Wirtschaft der Schwestern, empfahl Einsparungen da und dort, die sehr praktisch waren, aber die Herrschaft aus einem Fürstensitz zu einem
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