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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Neigungen des Kaisers, seine Ehrfurcht vor der Bildung, den heiteren Ausbau der Stadt München, die Stiftung des Ritterordens von Ettal nach dem Muster des Wolframschen Parzival. Der schärfere Herr von Schenna aber wollte das nicht gelten lassen, er sah in dem Wittelsbacher einen viel moderneren Typ. Der Kaiser liebte die Städte mehr als die Burgen, den Kaufmann mehr als den Kriegsmann, Verträge mehr als Schlachten, sah auf Nutzen mehr als auf Ritterlichkeit. Gewiß hatte er noch romantische Anwandlungen; aber die waren Tradition, nicht Ausdruck seines wahren Wesens. König Johann, der Luxemburger, der war bei aller Wandelbarkeit viel konservativer, war ein Ritter alten Schlages, ein Abenteurer. Der Kaiser hingegen glich vielmehr den Stadtbürgern, war ein Mann von heut, ein Rechner. Darum auch werde der Luxemburger zwar mehr packen, aber weniger festhalten können, und auf die Dauer werde der Kaiser triumphieren; denn er sei ein Kind seiner Zeit. Der Theolog hörte den klugen, richtigen und literarischen Ausführungen nachdenklich und widerstrebend zu.
    Sie sahen den breiten, wuchtigen Rücken des Wittelsbachers vor sich. Sie dachten beide, was keiner sprach: er wird immer nach seinem Nutzen handeln und nur nach ihm, wird immer bieder und aus großen Augen sich, die andern, die Welt betrachten, wird immer, ehrlich und überzeugt, Gerechtigkeit, Moral, Gottes Willen gleichsetzen mit seinem Nutzen.
    Man nächtigte in Sterzing, klomm andern Tages in klarer, schneidender, fröhlicher Kälte den Jaufenpaß hinan. Man hatte schon die Höhe hinter sich, stieg ins Passeier . Da strauchelte das Pferd des Bischofs von Freising, scheute, warf den Reiter vornüber ab. Der Bischof flog sehr unglücklich gegen einen Felsen, brach den Hals. Da lag er, der kleine, bewegliche Mann, auf dem gefrorenen Schnee unter dem fröhlichen, hellen Himmel. Er hatte gegen den Kandidaten des Papstes den Bischofsstuhl von Freising besetzt, er hatte gegen den Willen des Papstes das heilige Sakrament der Ehe brechen wollen; jetzt lag er gelb und steif und tot. Der bunte, laute, klingelnde Zug stockte. »Gottesgericht!«
    raunte es; übergraust standen die Herren um die Leiche. Man schlug den Toten in Decken, führte ihn auf einer Bahre mit nach Meran. Sehr still gelangte der kleine, wichtige Herr in die Stadt, wo er die kühne, gefährliche Tat seines Lebens hatte tun wollen. Die erschreckten Bischöfe von Augsburg und Regensburg weigerten sich den Bitten des Kaisers, daß nun sie Margaretes erste Ehe lösen sollten.
    Gleichwohl brach des Kaisers gute Laune wieder durch, als er in das Schloß Tirol einzog. Avignon war weit, mochte Benedikt ohnmächtige Flüche gegen ihn schicken. Das waren Worte: er hatte das Land. Wo war ein Fürst der Christenheit mächtig wie er? Er hatte beide Bayern vereinigt, er hatte Brandenburg, hatte sichere Anwartschaft auf Holland, Friesland, Seeland, Hennegau. Jetzt das Land in den Bergen dazu, das schöne, alte, reiche, berühmte Land. Dahinter lag Italien, zerrissen, machtlos. Er hatte es, nun er die Höhen der Alpen beherrschte, fest in der Hand. Schönes Schloß Tirol! Gutes, festes Schloß Tirol!
    Erstaunt hörten die Herren im Vorzimmer, wie der Kaiser innen mit heller, lauter Stimme sang. »Er singt Lieder wie König David vor der Bundeslade !« sagte der Bischof von Augsburg. Der Kaiser aber, in seinem Gemach, allein, schaute in das weiße, helle Land, schlug sich auf die Schenkel, sang kleine, lustige, derbe Trutzlieder, wie man sie in den Kneipen seiner bayrischen Dörfer sang.
    Zwei Tage später vollzog der Kaiser selber die Vermählung des Markgrafen Ludwig mit der Herzogin Margarete. Zum großen Ärgernis des Landes und ganz Europas. Wieder den Tag darauf belehnte er in der Stadt Meran die Neuvermählten mit Kärnten und Tirol. Er war angetan mit dem kaiserlichen Ornat. Konrad von Teck hielt das Reichsschwert, Arnold von Maßenhausen das Zepter, Herr von Krauß den Reichsapfel. Margarete strotzte von Prunk, steif, übersät mit Edelsteinen standen die schweren Kleider um sie herum, sie sah starr und reglos geradeaus.
    Im Wiener Schloß saßen Albrecht der Lahme und Johann von Böhmen in langer Unterredung. Der Griff des Wittelsbachers nach Tirol hatte den Luxemburger und den Habsburger wieder ganz zusammengetrieben. Der Kaiser, dieser Schamlose, hatte nicht nur Tirol gestohlen, er hatte seinen Sohn auch mit Kärnten belehnt, in dem der Habsburger festsaß, das der Kaiser selber ihm hatte erobern helfen.

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