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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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denn auch.
    Ließen sich alle ihre Handfesten, Urkunden, Privilegien bestätigen. Rafften, rissen an sich. Erzwangen sich Vetorecht und Kontrolle über alle Regierungsmaßnahmen. Verärgert, verzweifelt brach der Brandenburger aus, was er denn mit einer Herrschaft solle, die überall so geengt, gepreßt, gehemmt sei. Voll und bieder schaute ihm der Kaiser in die Augen: »Hab du den Mantel erst an! Ist er dann zu lang, kannst du ihn ja abschneiden .«
    Nach Lichtmeß, in hohem Winter, unter einem leuchtenden, hellblauen Himmel, fuhr, ritt der klingelnde, prächtige Zug der Wittelsbacher durch die grellweißen Berge nach Schloß Tirol. Schnee knirschte, Rüstungen klirrten, Gehänge, Gold und Silber läuteten. Weich in der dämpfenden Schneeluft ging der riesige, bunte Zug, Pferde, Saumtiere, Sänften, Menschen. Der Kaiser, in strahlender Laune, sein Sohn Ludwig, der Markgraf, der Brandenburger, mißmutig, zögernd, aber halb schon durch die Größe und Vielgestaltigkeit des Landes gelockt, sein junger Bruder Stephan. Der Herzog Konrad von Teck, der reiche schwäbische Herr , der intimste Freund des Brandenburgers, finster, fanatisch, ein wilder Arbeiter, ein unbedingter Anhänger der Wittelsbacher. Die tirolischen Barone. Zahllose bayrische, schwäbische, flandrische, brandenburgische Edle. Die Bischöfe von Freising, Regensburg, Augsburg. Die beiden großen Theologen, die der Kaiser an seinen Hof gezogen hatte, Wilhelm von Okkam und Marsilius von Padua.
    Der Kaiser hielt während der ganzen Reise vor allem diese geistlichen Herren in seiner Nähe. Die Nachricht von der beabsichtigten Vermählung des Brandenburgers mit Margarete hatte ganz Europa skandalisiert.
    Nicht nur, daß Margarete die Frau eines andern war, sie war auch von ihrer Großmutter Elisabeth her mit dem Brandenburger im dritten Grade verwandt. Der Papst dachte nicht daran, die Herzogin von diesem Ehehindernis zu lösen, hatte vielmehr sogleich mit Bann und Interdikt gedroht. Ängstlich hörte, tief beunruhigt, die Bevölkerung diese Drohung. Der Kaiser war aber durchaus nicht willens, vor der Kurie zurückzuweichen. Er stellte dem Papst seine Theologen entgegen. Der Kaiser selbst war ohne viel Bildung, sprach nicht einmal Latein; aber er hatte eine tiefe, abgründige Ehrfurcht vor der Gelehrsamkeit. Er bedauerte aufrichtig, daß seine Bayern so dumpf und stumpf waren, sich zum Studium so gar nicht eigneten. Ach, überall in der Welt fanden die großen Gelehrten, die er an seinen Hof gezogen, Wilhelm von Okkam und Marsilius von Padua, Widerhall, nur nicht in seinem Bayern.
    Er war fromm, er hatte Gewissen, er verehrte die weisen Herren von Herzen, glaubte an sie, war überzeugt von ihrem Wissen um Gott. Er hatte also an seine Theologen, sie aus seinen riesigen blauen Augen anstarrend, die Frage gerichtet, ob die Einwände des Papstes zu Recht bestünden. Marsilius und Wilhelm hatten ein Gutachten ausgearbeitet, die Ehe Margaretes mit Johann dem Luxemburger sei infolge Untauglichkeit des Gatten nie de facto vollzogen worden, sie bestehe also nicht, sei ungültig. Daraufhin hatte sich, vom Kaiser dringlich gebeten, der Bischof von Freising, Ludwig von Chamstein, bereit erklärt, die Ehescheidung zwischen Margarete und Johann auszusprechen. Aus diesem Grund also zogen die bayrischen Bischöfe mit über die Alpen. Ihre Mission kam ihnen sehr gefährlich, sie selber sich sehr kühn und wichtig vor. Sie hatten gespannte Gesichter, schwitzten.
    Der Brandenburger ritt neben Konrad von Teck.
    Mehr und mehr interessierte ihn das Land, das Technische der Verwaltung. Leidenschaftlicher Nationalökonom, der er war, hatte er keinen Blick für die Gegend, die Sonderart der Menschen, sprach mit seiner harten, hellen Stimme nur von Ackerbauflächen, Siedlungsmöglichkeiten, Handelsstraßen, Bezirkseinteilung, Steuermethoden. Ob Brandenburg, ob Tirol – ihm war das Land nichts anderes als Verwaltungsgegenstand. Hier war überall Verrottung, Schlamperei.
    Er wird mit harter, tüchtiger, wohlmeinender Hand zupacken.
    Herr von Schenna ritt neben Wilhelm von Okkam.
    Der kluge, weltkundige, gelehrte Theologe fesselte ihn.
    Er hatte an der Universität Paris doziert, war kein blasser Theoretiker, sah die Zusammenhänge von Westen nach Osten. Vor ihnen – die Straße stieg sacht an – hob sich hoch der wuchtige Rücken, der starke Nacken des Kaisers. Die beiden Herren sprachen über ihn. Der Theolog, nicht ohne eine gewisse Leidenschaftlichkeit, rühmte die ideellen

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