Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
kluge Albrecht, der lahme, bittere. Eigentlich seltsam, daß man gerade von ihr die Unterschrift will.
    Ihr Mann, der Markgraf, der Kaisersohn, der Wittelsbacher: aber der kluge Albrecht will ihre Unterschrift, nicht seine.
    Was Ludwig wohl darüber denkt? Tüchtig ist er auch. Er versteht sich gut mit dem Habsburger. Seltsam, daß man ihn nicht darüber befragt hat. Weiß der kluge Albrecht schon so genau, wie weit er von ihr weg ist? Früher hätte er sich mit ihr darüber ausgesprochen. Jetzt ist er fort. In Bayern. Mit Agnes. Sie schaut vor sich hin, ihr breiter, wüster Mund verzieht sich, trüb, nicht sehr bitter. Warum soll Ludwig nicht an Agnes von Flavon sein Pläsier haben? Sie ist sehr schön. Er ist nicht mehr der Jüngste. Hat sich abgerackert. Jetzt ist er Bayern los. Kann ein wenig ausschnaufen. Sie ist sehr schön. Warum soll er nicht sein Pläsier haben?
    Sie erhob sich, schwer, ein wenig ächzend. Überlas noch einmal die Urkunde. Sie war lang und umständlich. »Wir Margarete, von Gottes Gnaden Markgräfin zu Brandenburg, Herzogin zu Bayern und Gräfin zu Tirol, allen Christenmenschen ewiglich, die diesen Brief je sehen, lesen oder hören jetzt und später, Unsern Gruß und die Kenntnis nachgeschriebener Dinge.
    Wenn es geschieht, was Gott in seiner Gnade nicht verhänge, daß Wir und der durchlauchtige Fürst, Unser herzenslieber Gemahl, Markgraf Ludwig von Brandenburg, abgehen ohne Leibeserben, die wir miteinander gewinnen, und auch wenn Unser lieber Sohn, Herzog Meinhard, abginge, was Gott nicht wolle, ohne Leibeserben, daß dann Unsere obgenannten Fürstentümer und Grafschaften, Länder und Herrschaften mit der Burg zu Tirol und mit allen anderen Burgen, Klausen, Festen, Städten, Märkten, Dörfern, Leuten und Gerichten soll fallen gänzlich zu rechtem Erb und Vermächtnis den vorgenannten Unsern lieben Oheimen, den Herzögen von Österreich –«
    Sie ließ das Schriftstück zurückgleiten, unbehaglich, daß es sich knisternd auf dem Tisch zusammenrollte.
    Sie verließ das Zimmer. Machte mit ihren schweren, schleppenden Schritten den Rundgang, den sie jede Nacht vor dem Schlafengehen zu tun gewohnt war.
    Einsam schleppte sich, in ihrem prunkvollen Gewand, das sonderbar leblos an ihr niederfiel, die häßliche Frau durch die Säle, Stuben, Korridore, der ungeschlachte Schatten der Kerze ihr voraus.
    Sie kam an die Spinnstube. Die plumpe Tür öffnete sich ohne viel Geräusch. Die Mägde waren fertig mit der Arbeit, ein paar Knechte waren da. Alles drängte sich in einem Knäuel um eine junge, untersetzte Magd, die breit, verlegen, amüsiert grinsend dastand. Um sie herum Gekreisch, Stöße von Gelächter. Was? Sie begriff es wirklich nicht? Sie war die einzige in Tirol, die es nicht kapierte. Nochmals also. Die Pechmarie war schiech und wüst; wo sie hintrat, verdorrte alles, schrumpfte ein. Die Goldmarie strahlte himmlisch schön. Was sie anrührte, blühte, Gold klingelte unter jedem ihrer Schritte. Wer also war die Goldmarie? A –Ag – Endlich ging es auf, breit, leuchtend, auf dem Gesicht der Magd. Agnes von Flavon! Natürlich. Und die Pechmarie? Ah! Großes Staunen. Und nun schütterte es auch sie in stürmischem Lachen.
    Unter dem Gekreisch und Gewieher hatte man die Herzogin nicht bemerkt. Still war sie mit ihrer Kerze im Schatten der halbgeöffneten Türe gestanden. Jetzt, langsam, zog sie die Türe zu. Ging. Schleppte sich über die Korridore. Zurück vor das Dokument.
    Breitete die Urkunde vor sich hin. »Wir Margarete, von Gottes Gnaden Markgräfin –« Das Pergament knisterte. Sie tunkte die Feder ein, umständlich, unterschrieb.
    Der lahme Albrecht saß in seiner Burg in Wien in Schlafrock und Decken. Nebenan lag auf einem Tisch unter andern Papieren die Urkunde Margaretes. Sein Sohn Rudolf war da, der Bischof von Gurk, der uralte Abt Johannes von Viktring. Der betagte Herzog hatte die Letzte Ölung empfangen; er wußte, daß er in wenigen Stunden verlöschen werde. Er saß in seinem Lehnstuhl, fror trotz der Decken in dem überheizten Zimmer, fühlte mit fast wohligem Schmerz, wie langsam das Leben aus ihm herausrann. Sah im übrigen wie stets klar, ruhig, mit einer gewissen heiteren Bitterkeit.
    Rudolf fragte das drittemal, ob er nicht die anderen Brüder beschicken solle. Sein festes Gesicht, blond, bräunlich, nicht hohe, eckige Stirn, Hakennase, starke Unterlippe, blickte ernst, sachlich, selbstbewußt, unsentimental. Der Lahme lehnte zum drittenmal ab. Die Jungen hatten

Weitere Kostenlose Bücher