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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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zu tun, sein Sterben sollte sie nicht stören.
    Er atmete still, die ungelähmte Hand öffnete sich, schloß sich, öffnete sich. Er hatte ein gutes Leben gelebt, soweit ein menschliches Leben gut sein kann. Es war Mühe und Arbeit gewesen. Es war Erfolg gewesen.
    Er hatte sich gefördert und seine Länder gefördert. Er war mit sich in Frieden, er war mit den Menschen in Frieden, er war mit Gott in Frieden.
    Sein Sohn Rudolf erbte ein gutes Erbe. Schön war es und eine Gnade Gottes, daß er das Dokument noch zu sehen bekam, das ihm Tirol sicherte. Jetzt war alles geschlossen, von Schwaben bis Ungarn geschlossenes habsburgisches Land. Gut und christlich regiert, in Ordnung und Fug. Seine Söhne gescheite, feste Männer. Er weiß schon, warum er sie nicht mit seinem Sterben inkommodiert.
    Da fährt er also hin, der Letzte von den dreien. Der Luxemburger, der Johann, ist einen albernen Tod gestorben, einen dummen, ritterlichen Tod auf einem Schlachtfeld, das ihn nichts anging. Der Bayer, der Ludwig, ist einen unvorbereiteten, leichtfertigen Tod gestorben, auf der Jagd, mitten zwischen schwankenden, ungeordneten Geschäften, einen unentschiedenen Tod ohne Richtlinien und Gesicht, einen Tod, so halb und blöde und nichtssagend wie sein ganzes Leben. Er, Albrecht, hat sich niemals Römischer Kaiser genannt, hat nie nach der Römischen Krone gestrebt, hat sie nicht gehabt und hat sie nicht gewollt. Aber wenn man es recht erwägt – er lächelte ein mildes, listiges Lächeln –, war immer er der mächtigste gewesen von den dreien, der eigentliche Schiedsrichter der Christenheit, und immer war geschehen, was er gewollt hatte.
    Er fühlte sich jetzt schrecklich müde. Rief – es verwehte heiser – nach Rudolf. Der wandte sich schnell ihm zu. Der Lahme tastete mit der gesunden Hand nach der des Sohnes. Sie fiel herunter, ehe sie den Sohn erreichte. Auch der Kopf sank vornüber.
    Rudolf stand gerafft, fest. Jetzt war er das Haupt der Habsburger, der mächtigste Mann unter den Deutschen. Der Bischof von Gurk betete. Der uralte Abt Johannes von Viktring strich mit der dürren, braunen Hand über das Pergament Margaretes. »Aufgerichtet hab ich ein Denkmal dauernder als Erz«, zitierte er murmelnd einen antiken Klassiker. Dann schlurfte er zu Albrecht hinüber. Sah, daß er tot war. Riß sich zusammen, streckte sich, schwankte, stand. Machte seine Stimme so fest wie möglich. Setzte mehrmals an, verkündete: »Defunctus est Albertus de Habsburg, imperator Romanus .« Der Bischof und der Fürst sahen sich an; nie hatte der Tote diese Würde gehabt, nie sie angestrebt. Der Uralte wiederholte, mit Anstrengung, schwankend, feierlich: »Gestorben ist Albrecht von Habsburg, Römischer Kaiser .« Dann sank er in sich zusammen, schlurfte zurück zu dem Tisch, bekreuzte sich, mummelte.
    Die kleine, der heiligen Margarete geweihte Kapelle der Münchner Hofburg ist dick voll von prunkenden Würdenträgern. Draußen ist klarer, leuchtender, hellbrauner Herbst. Drinnen reiben sich die Rüstungen der weltlichen Herren, die strotzenden Ornate der geistlichen; aneinandergepreßt stehen sie. Die Herzöge von Österreich, Rudolf, Leopold, Friedrich, ihre Kanzler und Marschälle, Johann von Platzheim, Pilgrim Strein, die bayrischen und tirolischen Herren, die Marschälle, Burggrafen, Oberjägermeister, Landeshofmeister des Markgrafen, die Schenna, Frauenberger, Konrad Kummersbrucker, Dipold Häl. Violett und lachsfarben die Ornate der geistlichen Fürsten. Die Bischöfe von Salzburg, Regensburg, Würzburg, Augsburg, Dekane, Pröpste, Domherren. Die Pfarrer zu Tirol, Teisendorf, Pyber. Fahnen, päpstliche, weltliche.
    Weihrauch. Draußen, von Militär zurückgehalten, Volk. In allen Fenstern, auf den besonnten herbstlichen Bäumen, auf allen Mauern, Vorsprüngen Volk.
    Drinnen knieten Ludwig und Margarete vor den päpstlichen Kommissaren, dem Bischof Paul von Freising und dem Abt Peter von Sankt Lamprecht. Gestern war ihre Ehe formal geschieden und ihnen aufgegeben worden, getrennt zu leben. Jetzt verlas der Bischof feierlich das päpstliche Reinigungsdekret: Nachdem Ludwig von Bayern, Erstgeborener weiland Ludwigs von Bayern, der sich als Römischer Kaiser führte, alles erfüllt habe, was der Papst von ihm gefordert, nachdem er persönlich seine Vergehen gegen die Kirche bekannt, gäben er und der Abt Peter als päpstliche Kommissare diesem besagten Fürsten und der Fürstin Margarete Dispens wegen zu naher Verwandtschaft, erlaubten ihnen, die

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