Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
zu.»
«Ich liebe Küchen», gebe ich offen zu, und begleite Friedrich.
Es ist eine dieser riesigen Wohnküchen, wie man sie nur in herrschaftlichen Altbauwohnungen findet. Mit braun-weißem Granitfußboden, praktischer Speisekammer und einem alten Küchenherd. Der wiederum wurde geschickt in eine moderne Anbauküche integriert, und in Kombination mit einem antiken Küchenbuffet entstand eine gekonnte Mischung aus Alt und Neu. Zusätzlich verfügt sie über einen kleinen Balkon zum Hinterhof, der sich gut zur Kräuterzucht eignet.
«Kräutertee oder schwarzen?», fragt Friedrich.
«Schwarz bitte, der muntert mich vielleicht auf», antworte ich und frage, ob ich helfen kann.
«Danke, gerne Ursel … Tassen und Teller findest du in dem ollen Buffet dort. Nach dem Tod meiner Frau bin ich ein ganz passabler Hausmann geworden», redet er weiter. «Anfangs zwangsweise, doch inzwischen macht es mir richtig Spaß. Ich beherrsche sogar Gerichte mit mehr als drei Zutaten. Vielleicht darf ich dir meine Kochkünste ja demnächst einmal vorführen. Sollen wir den Tee hier trinken?» Er weist mit einer Kopfbewegung zu dem großen, von sechs Stühlen umringten Esstisch, der die Raummitte füllt. «Oder möchtest du lieber in den Salon wechseln?»
«Ich sitze gerne in der Küche, erinnert mich an schöne Zeiten, als meine Familie noch zusammengelebt hat. Wir saßen auch oft in unserer Wohnküche, allerdings war die weniger feudal», versichere ich, während ich das antike Buffet inspiziere. Der Schrank bietet neben einem edlen goldgerahmten Geschirr auch eine Anzahl bunt gemischter Blümchentassen, die eher vom Flohmarkt stammen, als aus einem feinen Porzellanladen. Ich wähle das Flohmarktgeschirr.
Friedrich setzt den Wasserkocher auf. «Ja, die Wohnung ist wirklich schön. Vor allem,
schön groß
! Und je größer, desto mehr Schmutz», sinniert er, ganz die Profihausfrau. «Leider kommt die Putzfrau fürs Grobe nur noch einmal wöchentlich.»
Ich würde gerne antworten, dass ich mir keine «Frau fürs Grobe» leisten kann, auch nicht ein Mal jährlich. Aber er könnte glauben, mir ginge es finanziell nicht gut. Was nicht stimmt, denn ich habe mein Auskommen – und Blümchentassen finden sich auch in meiner Küche.
«Die Zeichen stehen nämlich auf Krise», erzählt Friedrich weiter, während er Teeblätter in ein kugeliges Teesieb füllt.
«Wenn ich an die massenhaften Geschenke denke, die ich täglich einpacke, scheint es sich noch nicht rumgesprochen zu haben», setze ich entgegen. «Könnte aber auch eine Art Trotzreaktion sein, nach dem Motto: Wer weiß, ob das Geld morgen überhaupt noch etwas wert ist.»
Friedrich gießt Wasser in die Teekanne. «Das ist mir gestern auch aufgefallen, als ich unterwegs war. Aber das ist ein ganz spezieller
Virus
, gegen den leider keine Medizin existiert. Apropos …» Er öffnet eine Schranktür, hinter der sich der Kühlschrank verbirgt, entnimmt ein braunes Fläschchen und überreicht es mir. «Die versprochenen Kräuter-Tropfen.»
Wie ich auf dem schlichten weißen Etikett lese, enthält die kleine Flasche eine konzentrierte Tinktur aus verschiedenen Kräutern. Eigentlich sieht es nach einem Hausmittel aus, vorsichtshalber frage ich aber doch nach: «Und warum möchte oder kann Robert die Tropfen nicht mehr anbieten?»
«Die Zulassung ist erloschen, weil ich versäumt habe, mich darum zu kümmern», antwortet Friedrich. «Der Termin für die Zulassungserneuerung fiel nämlich genau in die Zeit, als Erika so krank war und intensive Pflege benötigt hat. Ich hatte damals einfach nicht den Kopf für dergleichen. Aber auch ohne aktuelle Verkaufsgenehmigung ist es ein zugelassenes Pflanzenpräparat. Die Rezeptur wurde bis heute nicht verändert, du musst also keine Bedenken haben, das Mittel einzunehmen.»
«Hätte ich ohnehin nicht gehabt», beteure ich. «Du bist schließlich Apotheker und würdest dir nur selbst schaden, wenn du jemanden vergiften wolltest.»
«Vergiss nicht die Scherereien mit der Leiche.» Friedrich entfernt das Teesieb, legt es in die Spüle und kommt mit der Kanne an den Tisch. «Abgesehen davon, gefällst du mir lebend besser», fügt er schmunzelnd hinzu, während er die Tassen mit Tee füllt und mir dann die Zuckerdose entgegenschiebt. «Zehn Tropfen auf einen Teelöffel Zucker, alle zwei Stunden, und du bist morgen wieder auf dem Damm.»
«Danke, Friedrich, das lässt mich hoffen.» Ich nehme sofort die ersten Tropfen ein. «War Robert wegen der
Weitere Kostenlose Bücher