Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
brünette Haar etwas länger trägt.
Wie ich den weiteren Gesprächsfetzen entnehme, versucht er höflich aber bestimmt, einen hartnäckigen Vertreter abzuwimmeln, der ihm zum Jahresende noch irgendwelche Zusatz-Schnäppchen andrehen möchte. Soweit ich hören kann, handelt es sich um eine Wunderdiät, bei der man den Weihnachtsspeck bis Neujahr wieder loswürde. Ob ich nach einer Probepackung frage? Robert dagegen scheint definitiv nicht an Diätwundern interessiert zu sein, und nach wenigen Minuten verlässt der fliegende Händler mürrisch grüßend den Laden.
Als Nächstes ist eine ältere Dame dran, die während der Wartezeit auf der Kundenbank saß. Sie erhebt sich seufzend und verlangt nach einem schnell wirkenden Kopfschmerzmittel. Robert empfiehlt ein Pulver und bietet ihr noch ein Glas Wasser an, damit sie es sofort einnehmen kann.
Danach ist die junge Mama an der Reihe. Sie schiebt Robert ein Rezept über die Ladentheke, doch bevor er es lesen kann, wendet sich das größere Mädchen an ihn.
«Duhuuu, Herr Apotheker, ist das ein Rentier an der Türe, so eins, wie der Weihnachtsmann hat?»
Robert grinst amüsiert. «Tut mir leid, Emma, das ist ein Hirsch. Rentiere gibt es bei uns nicht, die leben hoch oben im Norden, wo es sehr kalt ist, viel schneit und wo auch der Weihnachtsmann zu Hause ist.»
«Aber deines hat auch ein Geweih, genau wie die Rentiere», beharrt Emma.
«Du hast gut aufgepasst», lobt Robert. «Doch Hirsche tragen auch Geweihe auf dem Kopf. Deshalb sehen sie den Rentieren ähnlich.»
«Waruuuhum?»
«Damit sie ihre Rivalen beim Kampf um die Weibchen besiegen können», erklärt Robert geduldig.
Emma überlegt einen Moment, dann fällt ihr noch eine Frage ein. «Musst du auch Rivalen bekämpfen?»
Robert lacht. «Nein, mein Familienname ist Hirsch, und mein Großvater, Fridolin Hirsch, hat die Apotheke deshalb so genannt. Verstehst du das?»
«Hmm!» Das Mädchen nickt. «Und was fressen Rentiere?»
«Genug jetzt, Emma», mischt sich die Mutter jetzt ein. «Der Herr Hirsch hat noch was anderes zu tun, als dir die Welt zu erklären … Vielen Dank, Herr Hirsch.» Sie angelt eine Geldbörse aus ihrer Handtasche und entnimmt ein paar Münzen, die sie dem Mädchen in die Hand drückt. «Wirf das in die Sammelbüchse für das Kinderheim.»
«Keine Ursache, Frau Griesbach, ich finde es schön, wenn Kinder neugierig sind. Und danke für die Spende. Wir werden den Betrag verdoppeln.» Robert tippt etwas in den Computer ein und entfernt sich. Kurz danach erscheint er mit einem Medikament, das er der jungen Frau überreicht. Nachdem er die leidige Zuzahlungsgebühr kassiert hat, bekommt jedes der Kinder einen kleinen Schoko-Nikolaus und die Mama ein Kuvert: «Ich würde Sie und Ihre Familie gerne zu meiner Xmas-Party an Heiligabend einladen!», sagt er. «Es soll ein lustiger Abend mit Musik und netten Menschen werden. Es gibt reichlich zu essen und zu trinken. Also einfach nur gute Laune mitbringen. Die Kinder sind natürlich auch herzlich willkommen.»
«An Heiligabend?» Die Stimme der jungen Frau kippt hörbar über. «Ja … ähm … Das ist überaus freundlich, Herr Hirsch … Aber …»
«Sie müssen nicht zusagen», hilft Robert ihr aus der Verlegenheit. «Einfach vorbeikommen, wenn Sie Lust haben.»
Frau Griesbach lächelt schief, verstaut ihre Medizin und verlässt eilig den Laden, als habe Robert ihr ein unmoralisches Angebot gemacht.
Auch wenn Frau Griesbach so abweisend reagiert hat, ich bin sehr angetan von Roberts freundlicher Art.
«Bitte schön, was darf’s denn sein?», wendet er sich nun lächelnd an mich.
«Hallo, Robert», begrüße ich ihn. «Erinnerst du dich an mich?»
Er stutzt einen Moment, dann erkennt er mich. «Aber ja … Frau Amberger, was für eine Überraschung! Mein Vater hat mir schon von Ihrem zufälligen Treffen berichtet. Das freut mich, dass Sie mal vorbeischauen. Wie geht es Ihnen? Was machen Ihre Töchter?»
Die Tür öffnet sich, und ein älteres Ehepaar betritt die Apotheke. Die Frau sieht blass aus, als würde sie gleich umkippen. «Könnte ich bitte ein Glas Wasser bekommen?», stöhnt sie.
«Einen Moment bitte, Frau Amberger», entschuldigt Robert sich bei mir, bietet der Kundin einen Stuhl an und reicht ihr etwas zu trinken. Die Frage, ob sie einen Arzt benötige, verneint sie. Kaum ist sie versorgt, erscheinen nacheinander drei weitere Kunden.
«Leider bin ich im Moment allein. Adrian, mein Helfer, hat sich nämlich
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