Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
krankgemeldet, und ich konnte noch keinen Ersatz organisieren. Daher habe ich leider keine Zeit für einen Plausch», bedauert er. «Ich hoffe aber, wir sehen uns bald mal. Kommen Sie doch zu meiner Xmas-Party!» Er greift unter den Ladentisch und holt ein paar Kuverts hervor, die er mir überreicht. «Für Sie und Ihre Freunde … Würde mich sehr freuen, Sie begrüßen zu dürfen.»
«Danke schön, Robert. Vielleicht komme ich tatsächlich vorbei.» Ich stecke die Umschläge ein.
«Benötigen Sie sonst noch etwas, Frau Amberger?»
«Irgendwas schnell Wirkendes gegen eine aufkommende Grippe», antworte ich. «Ich habe das Gefühl, mir etwas eingefangen zu haben, und ich kann mich auf keinen Fall ins Bett legen.»
«Ja, es grassiert eine scheußliche Grippe, deshalb ist im Moment auch hier der Teufel los.» Robert greift in das Regal direkt hinter der Kasse, entnimmt einige Präparate und erklärt mir die Wirkstoffe.
Mit halbem Ohr vernehme ich, wie die Tür erneut geöffnet wird und eine vertraute Stimme erklingt.
«Einen wunderschönen Tag, die Herrschaften!» Gleich darauf taucht Friedrich neben mir auf, mit Churchill an der Leine. «Servus, Ursel», begrüßt er mich, nimmt meine Hand und drückt sie liebevoll. «Welchem Umstand verdanken wir die erfreuliche Überraschung? Du bist hoffentlich nicht krank?»
«Noch nicht. Grüß dich, Friedrich …» Ich erwidere den Druck seiner Hand und beschreibe ihm die Symptome. «Und damit ich gesund bleibe, wollte ich vorbeugen.»
«Da helfen Hirschs Kräuter-Tropfen», empfiehlt er und wendet sich an seinen Sohn. «Würdest du bitte eine große Flasche aus dem Kühlschrank holen.»
Robert bleibt unbeweglich stehen. «Du weißt genau, dass wir die nicht mehr anbieten», raunt er leise.
«Du benimmst dich, als wären die Tropfen Gift», entgegnet Friedrich konsterniert. «Dabei ist es ein hochwirksames Mittel.»
«Mag sein», flüstert Robert, wobei zwischen seinen Brauen eine steile Falte entsteht, die eine deutliche Sprache spricht. «Aber es sind ohnehin keine mehr da.»
Skeptisch mustert Friedrich seinen Sohn. «Tatsächlich?»
«Tatsächlich!», wiederholt Robert mit Nachdruck. «Und jetzt entschuldige bitte, aber der Laden ist voll, wie du siehst …»
«Schon gut, ich habe verstanden», grinst Friedrich, als amüsiere er sich über seinen unfreundlichen Filius. «Ursel, ich möchte dich gerne auf eine Tasse Tee einladen. Würdest du mich begleiten? Und das …», er deutet auf die Medikamente, «brauchst du nicht. Du bekommst etwas Besseres.»
Wir verlassen die Apotheke durch die Hintertür. Der Ausgang führt direkt in ein feudales Treppenhaus mit zweifarbigem Marmorboden und in den Wänden eingelassenen Spiegeln, die über die Jahrzehnte dekorativ-fleckige Patina angesetzt haben.
«Erste Etage!» Friedrich deutet zu der edlen Holzstiege mit reich verziertem schmiedeeisernem Geländer. Dann hebt er Churchill hoch. «Dem geht’s heute gar nicht gut, ich komme grade vom Tierarzt», erklärt er.
«Was fehlt ihm denn?», frage ich.
«Vor allem die Jugend!», antwortet Friedrich scherzhaft. «Er ist kurzatmig geworden. Siebzehn Jahre ist aber auch ein stolzes Alter für einen Hund. Würde man das in Menschenjahre umrechnen, sprich mal sieben, wäre er einhundertneunzehn!»
«Unglaublich», murmle ich. «Hast du ihn mit deinen Kräuter-Tropfen
gedopt
?»
«Bisher noch nicht, aber das ist gar kein übler Gedanke», entgegnet Friedrich.
Im ersten Stock angekommen, stoppt er vor einer breiten Holztür mit dekorativen Blumenschnitzereien, in dessen seitlicher Butzenverglasung sich das Blumenmotiv wiederholt. Vorsichtig setzt er den Hund ab und schließt die Tür auf.
Churchill trottet zwischen unseren Beinen durch, den langen breiten Flur entlang, wo er am Ende eine angelehnte Tür mit der Schnauze aufschubst.
Ich sehe mich neugierig um. Obwohl Katja einige Jahre mit Solveig gebüffelt hat und die Mädchen auch in ihrer Freizeit einiges unternommen haben, ergab es sich nie, dass ich die Wohnung der Hirschs betreten hätte. Umso gespannter bin ich jetzt.
«Da geht’s zum Salon, wo auch Churchills Körbchen steht», erklärt Friedrich, während er mir aus dem Mantel hilft und ihn neben seinem an der Garderobe verstaut. «Der Arme scheint hundemüde zu sein und sich sofort hinlegen zu wollen. Normalerweise inspiziert er nämlich zuerst seinen Fressnapf in der Küche. Wenn du möchtest, nimm gerne im Salon Platz, ich bereite uns einen Tee
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