Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
versäumten Frist so ungehalten?»
«Nicht nur deshalb», seufzt Friedrich. «Nach der Scheidung ist er wieder hier eingezogen, und du kannst dir vielleicht vorstellen, wie unser Zusammenleben abläuft …»
«Vermutlich nicht ohne Reibereien», tippe ich.
«Milde ausgedrückt», seufzt Friedrich. «Vorübergehend ist nun auch noch Solveig an den heimischen Herd zurückgekehrt. Anfang Dezember hat sie sich von ihrer Lebensgefährtin getrennt. In aller Freundschaft, was ja sehr lobenswert ist. Leider hat mein Fräulein Tochter in ihrer überschäumenden Güte auch noch freiwillig die gemeinsame Wohnung geräumt, weil
sie
ja problemlos bei Papa unterschlupfen kann. Aber was sollte ich tun? Ich konnte sie doch nicht abweisen, als sie mit Sack und Pack vor der Tür stand.»
«Niemand hätte das», kommentiere ich. «Dennoch kann ich mir gut vorstellen, wie schwierig es ist, wieder mit den Kindern zusammenzuleben.»
«Solveig ist im Grunde sehr pflegeleicht, wir kommen gut zurecht.» Friedrich kippt einen Löffel Zucker in seinen Tee. «Zumal sie auch freiwillig im Haushalt hilft und prima kocht. Robert ist da schon komplizierter. Er ist zwar ein hervorragender Pharmazeut und führt die Apotheke mit großer Leidenschaft, worüber ich wirklich sehr glücklich bin, aber er glaubt, auch sonst der allwissende Chef zu sein. So viele Kunden wie heute trifft man nämlich nur noch selten im Laden an. In naher Zukunft könnte sich der Umsatz sogar in Richtung rote Zahlen entwickeln. Und sobald die Fixkosten den Gewinn übersteigen, wird der Laden unrentabel. Wie dir sicher auch nicht entgangen sein dürfte, ist die Existenz kleiner traditioneller Apotheken wie der unseren von einer rasant wachsenden Online-Konkurrenz bedroht. Zudem schwindet der Kundenstamm auch auf ganz natürliche Weise. Die alten Stammkunden sterben oder ziehen in ein Heim, und die Jungen bestellen ihre Medikamente lieber online.»
«Leider», erwidere ich aufseufzend. «Madeleine gehört auch zur Generation online. Obwohl ich es nicht verstehe. Es heißt doch:
Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Und gerade in dieser Branche finde ich persönliche Beratung unentbehrlich.»
«Ganz deiner Meinung, Ursel. Doch damit sind wir allein auf weiter Flur. Ich würde sogar behaupten, dass wir Oldies zur aussterbenden Spezies der In-einem-Laden-Käufer gehören. Wer weiß, ob in hundert Jahren überhaupt noch reale Geschäfte existieren …» Friedrich rührt nachdenklich in seiner Tasse. «Wie auch immer, eine alte Kaufmannsregel besagt: Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit! Diese Weisheit gilt heute mehr denn je.»
«Hört sich sehr plausibel an», sage ich. «Aber sicher nicht einfach, das in die Realität umzusetzen.»
Friedrich nimmt einen Schluck Tee, bevor er weiterspricht. «Ich habe Robert vorgeschlagen, das Apothekengeschäft zusätzlich auf Onlineversand im großen Stil umzustellen. Oder auf Medikamente für Hunde und Katzen plus Luxusartikel umzusatteln. Du kannst dir nicht vorstellen, was da alles auf dem Markt ist. Die Deutschen sind große Tierliebhaber und geben ein Vermögen für ihre vierbeinigen Lieblinge aus. Doch mein Herr Sohn fand diesen Vorschlag lächerlich. Er wolle seine Tage nicht mit durchgeknallten Tierbesitzern verbringen. Das Ladengeschäft seiner Schwester zu überlassen und sich stattdessen ganz auf den Onlinehandel zu konzentrieren, lehnt er auch ab.»
«Hat Solveig denn auch Pharmazie studiert, bevor sie in die Modebranche gewechselt ist?», frage ich überrascht.
«Nein, nein, ihr Interesse richtet sich ausschließlich auf die Räumlichkeiten. Sie träumt nämlich von einer eigenen Boutique, in der ihre Kreationen so richtig zur Geltung kämen. Die Strickkollektion auf dem Weihnachtsmarkt ist ja lediglich ein kleiner Teil ihrer Arbeit», erklärt Friedrich.
«So ein schicker Modeladen am Holzplatz würde sicher junges Publikum anziehen und gut laufen», sinniere ich.
«Du sagst es. Nur mein Sohn ist stur wie ein alter Esel. Könnte aber auch sein, dass er seiner Schwester den Laden nicht gönnt. Als Solveig dem Schneemann in der Auslage Mütze und Schal verpasst hat und meinte, er könnte die Sachen gerne auch verkaufen, hat Robert sie angepflaumt, seine Apotheke sei doch kein windiger Klamottenladen. Was ich ziemlich rückständig finde. In Buchhandlungen werden inzwischen doch auch mehr als Bücher verkauft, und Wollsachen sind ein gutes Anti-Grippe-Mittel.»
Ich muss lachen, weil mir der
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