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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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rasch verändern. Eine andere Sache war, dass es sich nicht um irgendeine Veränderung handeln sollte, sondern um eine Verbesserung. Es war eine gute Gelegenheit, an sich zu arbeiten, so eine Trennung.
    Er sah das Omelett traurig an, bevor er die Kühlschranktür zuklappte, wohl wissend, er hätte es auch gleich in die Mülltonne werfen können – er wärmte Essen nicht auf, schon gar kein versalzenes. Die einzige Person in diesem Haushalt, die eine vernünftige Eierspeise zubereiten konnte, war Luisa. Luisa, die ihm nach dem in kaltem Schweigen verbrachten Rückflug aus der Lagunenstadt zwei gepackte Sporttaschen in die Hand gedrückt hatte – man brachte immer mehr von einer Reise zurück, als man dachte – und verkündete, sie hätte sich bereits in Italien um einen Anschlussflug nach Berlin gekümmert und werde direkt weiterfliegen. Sie würde eine alte Studienfreundin besuchen. Sie hatte allen Ernstes »eine alte Studienfreundin« gesagt, als wären sie Fremde, als wüsste er nicht, dass es sich dabei entweder um Michaela oder Annika handelte, vermutlich um Annika, denn mit Ela hatte es kürzlich Streit gegeben.
    Ja, diese Wendung der Dinge hatte ihn überrascht. Mit allem hätte er gerechnet, mit Versöhnung oder neuen Wutanfällen, mit Vorwürfen, Schmollen oder taktischen Schmeicheleien, aber nicht mit diesem feigen und wirkungsvollen Rückzug. Aber Menschen waren unvorhersehbar – letztlich zeigte das Zusammensein mit ihnen immer das Gleiche: Man konnte sich auf nichts verlassen. Jeder konnte dir urplötzlich aus dem Leben davonrennen. Er holte sich einen Kaffee und ging zurück ins Schlafzimmer, wo er gedankenverloren ein Seidenkleid neu drapierte.
    Dabei hatte die Venedigreise gut angefangen. Der Flug ohne ärgerliche Verzögerungen, und dann der unglaubliche erste Blick vom Wasser aus auf die Stadt in der Lagune – die Villen und Palazzi, Kathedralen und Museen direkt am Meer, gefährdet, trotzig, alt, zeitlos, betörend schön. Das Vaporetto hatte sie direkt vom Flughafen aus zur Station Madonna dell’Orto gebracht, von wo aus es noch fünf Gehminuten zur Fondamenta della Sensa und ihrem Viersternehotel waren. Schon auf dem Boot hatte Luisa ihre Begeisterung überdeutlich gezeigt, unpassenderweise sogar für San Michele, die Friedhofsinsel, die sie angeblich in der Ferne sah. Und auch, als es zu Fuß weiterging, blieb sie mehrfach kreischend stehen, eine Kirche, ein Geburtshaus …, die Sicht auf das Meer, ja doch, er sah das auch. Wie kindisch das war – und ungefähr so sexy wie Heidi Klum beim Moderieren –, das sagte er ihr Tage später, als sowieso alles längst den Bach runtergegangen war. Ungefähr eine Stunde waren sie auf italienischem Boden, als die ersten Unstimmigkeiten anfingen. Es war gegen sieben Uhr abends, er hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen, deshalb schlug er vor, das Gepäck nur rasch im Hotelzimmer abzustellen, um dann unverzüglich zum nächstgelegenen Restaurant zu gehen. Luisa war sofort einverstanden, brauchte dann aber eine halbe Stunde, um sich ein Ausgehkleid anzuziehen und die Haare zu kämmen, außerdem kam sie mit der Bitte aus dem Badezimmer, unterwegs an der Madonna dell’Orto zu halten, um einige Jugendwerke Tintorettos zu besichtigen. Er willigte ein, nur damit sie endlich das Hotel verließen. Er war wirklich sehr hungrig und hoffte insgeheim, die Madonna dell’Orto wäre geschlossen – was auch der Fall war. Nichtsdestotrotz blieb Luisa eine weitere halbe Stunde vor dem Gebäude stehen, um die gotische Fassade, die schönste in der ganzen Stadt, wie sie behauptete, zu würdigen. Währenddessen war ihm schlecht vor Hunger. Als sie endlich fertig war, schlug er vor, ohne große Vergleicherei das kleine Lokal direkt an der Ecke von diesem Geburtshaus vorhin zu besuchen – das wäre nicht so weit und er könnte langsam wirklich einen Happen gebrauchen.
    »Oh, du Armer!«, sagte sie, mitleidig und überlegen. »Und ich quäle dich hier mit Kultur!«
    Er biss die Zähne zusammen und ging schneller.
    Das Restaurant Tre Mori war ein Glücksgriff: Die Atmosphäre war angenehm, die Musik auf eine vernünftige Lautstärke heruntergedreht, die Stühle waren schlicht und bequem und die Speisekarte übersichtlich, aber hochinteressant – das Einzige, das nicht hierher passte, war Luisas angespanntes Gesicht. Dabei hatten sie einen hübschen kleinen Zweiertisch in der Ecke zugewiesen bekommen, und alle anderen Tische schienen reserviert zu sein.

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