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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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macht. Um dich noch schlechter zu fühlen.«
    Er hatte diesem wendungsreichen Vortrag aufmerksam zugehört, konnte sich aber nicht einverstanden erklären.
    »Entschuldige«, sagte er höflich, »aber das ist doch Unsinn. Das heißt, das mit der Schuld im Allgemeinen vielleicht nicht. Aber der Teil, der mich angeht.«
    »Dein Unterbewusstes ist sich da nicht so sicher.«
    Sie schwieg nach diesem dramatischen Ende, dann sprang sie auf und überreichte ihm die Tüte: »Hier. Wenn sie zurückkommt, hat sie wenigstens was zum Umziehen.«
    Er wehrte ab, doch sie beharrte darauf. »Ich bin gerade ziemlich pleite, weißt du. Bitte, du tust mir einen Gefallen, wenn du es behältst.«
    Am nächsten Morgen fuhr er zu einer Tagung nach Kiel. Etwas Abstand war genau das Richtige. Übernachtung, Frühstück, Mittagessen, Vorträge und Seminare fanden im selben überheizten, schmuddeligen Kongresshotel statt, nur einige der jüngeren Wissenschaftler hatten an den Abenden noch die Energie, das Haus zu verlassen; die anderen, er eingeschlossen, schafften es gerade zur Hotelbar und dann ins Bett. Er erinnerte sich, dass er sich beim Kongress im Frühjahr geschworen hatte, es sollte sein letzter sein, aber es war wie immer gewesen: Er hatte die grässliche Atmosphäre vergessen und sich erneut angemeldet, als ein bonbonbuntes Faltblatt per Post ankam. Tagsüber trank er Unmengen miserablen Kaffee mit wässriger Kondensmilch, aß klebrigen Bienenstich und fade Gelbwurstsemmeln. Er stürzte sich in Diskussionen und Arbeitsgruppen. Es war ihm ein Rätsel, weshalb er immer noch nichts von Luisa gehört hatte; inzwischen waren drei Wochen vergangen, seit sie für ein paar Tage nach Berlin geflogen war. Nun – die Semesterferien wären bald vorbei, dann musste sie sich blicken lassen.
    Nachts schlief er schlecht und stellte sich alle Schweißfüße vor, die vor ihm diesen grünlichgrauen Teppichboden betreten hatten. Wie konnte ein Haus, das einzig und allein dazu da war, Übernachtungsmöglichkeiten sowie Raum für Tagungen zu bieten, dermaßen unappetitlich daherkommen? Ab und zu, um drei oder vier oder fünf Uhr, stand er auf. Dann betrachtete er im Neonlicht des Badezimmers sein käsiges Gesicht – die aufregende venezianische Bräune hatte sich längst verabschiedet – und hörte zu, wie er sich selbst mitteilte, das alles hier wäre ein Übergangszustand. In einem dieser schlaflosen Momente erkannte er, dass Amber Recht hatte. Er fühlte sich schuldig. Er versuchte, alles abzuhaken, das Scheitern seiner Ehe als Abstraktum zu nehmen, als Teil einer Statistik. Bloß funktionierte es nicht.
    Es fielen ihm außerdem immer mehr Dinge ein, die so schlecht gar nicht gewesen waren. Klar, sie hatten, sobald sie miteinander gesprochen hatten, meist gestritten. Aber sie hatten andererseits auch nicht immer miteinander gesprochen – beispielsweise dann, wenn sie Sex hatten. Apropos Sex – der hatte ihm immer Spaß gemacht mit ihr. Und umgekehrt verhielt sich das genauso, da war er ziemlich sicher. Vor etwa zwei Jahren hatte es eine Phase gegeben, in der sie einfach weiter ihre Alltagsdinge besprachen, während sie sich auszogen und so weiter. Aber diese Zeit war zum Glück schnell vorbei gewesen, weil sie beide merkten, dass es das Erlebnis dann doch ziemlich banalisierte.
    Auf dem Rückweg vom Kongress holte er endlich Benno von Dorothee ab. Dorothee hatte anscheinend gar nicht gemerkt, dass sie den Hund viel länger als geplant gehabt hatte; jedenfalls machte sie einen ziemlich unkoordinierten Eindruck und bat ihn auch nicht in die Wohnung. Ihm war es egal. Christopher erzählte Benno alles. Warum es so lange gedauert hatte, dass er ihn holte, warum er allein war und was nun, sehr wahrscheinlich, noch alles auf ihn, Christopher, sowie auf ihn, Benno, zukäme. Benno wirkte aber nicht sehr beeindruckt davon, bald ein Scheidungshund zu sein.
    Kaum hatte Christopher die Haustür aufgeschlossen, bellte Benno und raste in den ersten Stock. Christopher hörte Luisas helle Stimme; liebevoll begrüßte seine Frau den Hund. Er wusste nicht recht, was er tun sollte. Er blieb in der Diele stehen, und wie immer, wenn er aus einem piefigen Hotelzimmer zurück war, fand er es angenehm, wie groß ihr Haus war. Ja, groß und leer, so fand er die Diele. Toll.
    Erst nach ein paar Sekunden bemerkte er, dass es nicht nur leer wirkte – es war leer.
    Bis auf den Garderobenständer, an dem Luisas in Venedig getragener Sommermantel hing. Er knipste das

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