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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Ivos war er gerade dabei gewesen, eine Verbindung zu löten. Jetzt setzte er seinen ledernen Stuhl mit Rollen in Bewegung und kam mit einer halben Drehung vor den Eingetretenen zu stehen.
    Statt einer Begrüßung fragte er in einem Deutsch, aus welchem – ganz im Unterschied zu dem Spirous – der russische Akzent deutlich herauszuhören war: »Wo sind Zigaretten?«
    Â»Was für Zigaretten?« zeigte sich Ivo unwissend.
    Â»Du hast Zigaretten nicht dabei?«
    Â»Nein.«
    Â»Verdammt! Du bist Ignorant.«
    Â»In erster Linie bin ich nicht Ihr Freund oder Student oder so«, erklärte Ivo. »Könnten Sie also vielleicht aufhören, mich zu duzen?«
    Â»Ach so, du bist Nichtraucher und Mimose, du Nichtfreund.«
    Â»Noch mal, ich …«
    Â»Schon gut«, unterbrach ihn Oborin. »Sie sind Mann von Stunde, Sie darum bestimmen, wie wir sprechen. Ob Sie oder du.«
    Sofort lenkte Ivo ein. Er sagte: »Das mit den Zigaretten tut mir leid.« Es tat ihm tatsächlich leid. Es war wirklich dumm von ihm gewesen. Er hätte sich ja denken können, wie sehr die Leute an einem solchen Ort etwas übrig hatten für eine Stange westlicher Tabakware. Er sagte: »Ich mache das wieder gut. Versprochen.«
    Oborin schenkte ihm einen verächtlichen Blick. Er war es wohl leid, sich irgendwelche Versprechungen anzuhören. Er hob in pianistischer Weise seine Hände an und wandte sich erneut seiner Gerätschaft zu.
    Â»Was geschieht hier eigentlich?« wollte Ivo wissen. Er hatte die Frage an Spirou gestellt, da Oborin durchaus in der Art seiner suppenkochenden Tochter völlig vertieft in seine Arbeit schien.
    Â»Es wird telephoniert«, erklärte Spirou.
    Â»Soll das heißen, diese Apparate funktionieren auch?«
    Â»Wenn die Verbindung steht, dann funktionieren sie.«
    Â»Verbindung wodurch?«
    Â»Alles, mit dem man eine Verbindung herstellen kann: alte Leitungen, alte Satelliten, Funkgeräte, Radios, Bücher, Kartoffeln.«
    Â»Bücher? Kartoffeln?«
    Spirou öffnete seine kleinen Hände zu einer Geste, die bedeutete, nichts zu können für die Wunder dieser Welt.
    Ivo meinte: »Wie wäre es mit Internet?«
    Â»Haben wir nicht. Brauchen wir auch nicht. Die Leute vom Bürgermeister haben das natürlich, aber die reden ja mit Moskau. Der Professor jedoch redet nicht mit Moskau.«
    Â»Sondern?«
    Â»Er redet mit den anderen.«
    Â»Was für andere ?«
    Â»Wir in Ochotsk, wir sind das Herz und das Hirn des Weltraums«, erklärte Spirou und sah Ivo Berg an, als sei damit alles gesagt.
    Â»Außerirdische also«, kommentierte Ivo und lächelte in der verbissenen Manier der Skeptiker.
    Statt darauf zu antworten, meinte Spirou: »Es ist uns erzählt worden, Sie würden mit Bäumen reden.«
    Â»So kann man das nicht sagen«, erwiderte Ivo.
    Ja, wie konnte man es denn sagen? Ivo versuchte Spirou klarzumachen, an der Kommunikation mit Bäumen sei nichts Übernatürliches, keinerlei Zauberei. Die Kommunikation erfolge auf dem Niveau der Pflanzen.
    Spirou nickte und meinte, dies gelte gleichfalls für den Professor, der schließlich kein Magier sei, sondern Wissenschaftler, Physiker, Mathematiker, Astronom. Auch Oborin würde in keiner Weise Übernatürliches erschaffen, sondern allein versuchen, Kontakt zu Wesen aufzunehmen, die man halt nicht im Telephonbuch finde und auch nicht mit Hilfe des Internets kontaktieren könne.
    Â»Geister, Tote?« fragte Ivo.
    Â»Ich weiß nicht, ob die tot sind, mit denen er redet. So richtig tot können sie eigentlich nicht sein, wenn man mit ihnen sprechen kann. Oder?«
    Nun, das hatte etwas für sich. Eine Stimme war etwas durchaus Lebendiges, gleich, ob diese Stimme über einen Körper im herkömmlichen Sinn verfügte oder nicht. Interessant war vor allem die Frage, wie man sich denn Körper im nicht herkömmlichen Sinne vorzustellen hatte. Vom eingeschränkten menschlichen Standpunkt war ja ein Körper sehr rasch nicht herkömmlich. Darum wurde auch soviel Theater wegen der Über- und der Untergewichtigen gemacht, der Behinderten, der explizit Häßlichen, und wegen all jener, deren Körper verrückt spielten.
    Â»Hast du auch schon mit diesen anderen gesprochen?« fragte Ivo.
    Â»Hören Sie auf, arme Junge zu traktieren«, wandte sich der Professor mit einem Mal um und bewies, selbst

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